"Tatort: Das Verlangen": Sonntagskrimis aus dem Theater

Published 3 hours ago
Source: stern.de
"Tatort: Das Verlangen": Sonntagskrimis aus dem Theater

Im "Tatort: Das Verlangen" ermitteln Batic und Leitmayr im Residenztheater. Auch ihre Kollegen suchten schon auf der Bühne nach Mördern.

Mord und Theater - dass das zusammenpasst, wissen auch die "Tatort"-Macher. Am 26. Dezember (20:15 Uhr im Ersten) dürfen sich Fans auf einen besonderen Fall aus München freuen: In "Das Verlangen" ermitteln Batic (Miroslav Nemec, 71) und Leitmayr (Udo Wachtveitl, 67) ausschließlich im Residenztheater, gedreht wurde vor Ort in dem renommierten Theaterhaus. Eine Schauspielerin bricht während einer Aufführung von Tschechows "Die Möwe" auf offener Bühne zusammen - vergiftet mit dem Wein, den sie laut Regieanweisung trinken muss.

Auf und abseits der Bühne stoßen die Kommissare auf Druck, Neid und Intrigen in der gar nicht so schimmernden Theater-Familie. So entfaltet sich ein konzentriertes Kammerspiel, bei dem die Grenzen zwischen Bühne und Filmrealität immer wieder verschwimmen. Der Film sei "eine leidenschaftliche Liebenserklärung an die Theaterschaffenden und die Schauspielenden", betont Regisseur Andreas Kleinert.

Für die Kommissare ist es aber nicht der erste Ausflug in diese Welt, denn vor fast 30 Jahre schnupperten Batic und Leitmayr schon mal Theaterluft. Und auch andere "Tatort"-Teams haben sich bereits auf die Bretter gewagt, die die Welt bedeuten.

"Tatort: Aida" aus München

1996 führte der Fall "Aida" Batic und Leitmayr erstmals hinter die Kulissen - genauer gesagt ins Opernhaus. Bei den Proben zu Verdis berühmter Oper wird der despotische Dirigent Hubert Kramitz in seiner Garderobe ermordet. Der Maestro hatte sich mit dem gesamten Ensemble angelegt, entsprechend lang ist die Liste der Verdächtigen. Doch bei diesem Todesfall soll es nicht bleiben und die Ermittler werden in die exzentrische Welt des Opernbetriebs gezogen.

Wie auch bei "Das Verlangen" eilen Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl in "Aida" durch die verwinkelten Gänge des Hauses und decken allerlei Intrigen auf. Ihr 13. "Tatort" unter der Regie von Roland Emmerich (70) wurde unter anderem im Teatro Grande im italienischen Brescia gedreht, anders als im neuen Fall ist die Kulisse allerdings nachgebaut. Für die Opernsänger wurden professionelle Synchronsänger eingesetzt.

"Tatort: Alles Theater" aus Berlin

Schon sieben Jahre vor den Münchner, 1989, spielte der allererste Theater-"Tatort" in Berlin. In "Alles Theater" wird Kriminalhauptkommissar Bülow (Heinz Drache, 1923-2002) zu einer Premiere von Pirandellos "Sechs Personen suchen einen Autor" eingeladen. Doch während der Aufführung erschießt sich einer der Hauptdarsteller nicht nur im Stück, sondern tatsächlich auf offener Bühne. Bülow taucht ein in eine Welt aus Intrigen, Affären und Kokainkonsum - auch hier gibt es wieder zahlreiche Verdächtige und die Grenzen zwischen Schauspiel und Realität verwischen.

Für Heinz Drache war es der sechste und letzte Fall als Kommissar Bülow, am Ende fällt symbolisch der Vorhang für ihn. Die Dreharbeiten fanden im Sommer 1988 in West-Berlin statt, nur wenige Monate vor dem Fall der Berliner Mauer.

"Tatort: Bei Auftritt Mord" aus Dresden

Ebenfalls 1996 ging es für die Dresdner Kommissare Ehrlicher (Peter Sodann, 1936-2024) und Kain (Bernd Michael Lade, 60) auf die Bühne. Ein Unbekannter bedroht ein Leipziger Showballett mit dem Schriftzug "Bei Auftritt Mord" auf den Plakaten. Als eine Solotänzerin während der Probe tödlich verunglückt, beginnen die Ermittlungen in der glitzernden Welt des Balletts. Auch hier warten komplizierte Beziehungsgeflechte und ein Mörder aus den eigenen Reihen.

Mathieu Carrière (75) überzeugte als manipulativer Ballettchef und Ursula Karven (61) verkörperte die ehrgeizige Primaballerina. Die Showaufnahmen entstanden unter der Mitwirkung des Deutschen Fernsehballetts. Der Titel ist eine Anspielung auf Alfred Hitchcocks Klassiker "Bei Anruf Mord" von 1954.

"Tatort: Babbeldasch" aus Ludwigshafen

Dann gab es erst mal lange keinen "Tatort" aus dem Theater mehr. 2017 wagte das Ludwigshafener Team um Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, 64) dann aber ein ungewöhnliches Experiment. In "Babbeldasch" schmuggelt die Kommissarin sich als Hobby-Schauspielerin ins Mundart-Theater, nachdem die Theaterleiterin mit Gift ermordet wurde. Sie deckt die Beziehungsgeflechte mit unzähligen Motiven auf.

Das Besondere: Der Film selbst wurde größtenteils improvisiert und ohne festes Drehbuch von den Darstellern entwickeln. Gedreht wurde im echten Mundart-Theater Hemshofschachtel und tatsächlich auch mit den echten Ensemblemitgliedern. Das Experiment von Regisseur Axel Ranisch (42) polarisierte - während manche den Mut lobten, kritisierten andere die gekünstelten Dialoge.

"Tatort: Die Musik stirbt zuletzt" aus Luzern

Den bislang spektakulärsten Theater-"Tatort" lieferte 2018 das Schweizer Team. In "Die Musik stirbt zuletzt" ermitteln Flückiger (Stefan Gubser, 68) und Ritschard (Delia Mayer, 58) im Kultur- und Kongresszentrum Luzern - und zwar in Echtzeit. Bei einem Benefizkonzert wird ein Klarinettist mit Kontaktgift ermordet, die Ermittlungen laufen noch während der Veranstaltung und enthüllen ein dunkles Geheimnis.

Der Film von Regisseur Dani Levy (68) wurde als One-Shot gedreht, also in einer einzigen, durchgehenden Kameraeinstellung ohne Schnitte. An nur vier Drehabenden wurde jeweils der komplette Film am Stück im Kultur- und Kongresszentrum Luzern aufgenommen. Dafür gab es den Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.

Was alle Theater-"Tatorte" eint: Hinter den Kulissen brodelt es und Motive gibt es in den eigenen Reihen reichlich. Affären, Eifersüchteleien, verletzte Egos - das Bühnenmilieu liefert zuverlässig jene menschlichen Abgründe, die einen guten Krimi ausmachen. Das Spielen mit der Meta-Ebene, dem Stück im Stück, sorgt jedes Mal für besonderen Reiz, ebenso der selbstironische Klassenkampf zwischen Theaterstar und Filmschauspieler. "Das war eigentlich gar keine richtige Schauspielerin, die hat nur Fernsehen gemacht", erinnert sich Leitmayr in "Das Verlangen" beispielsweise an eine Verflossene. Die Bühne als Tatort funktioniert ebenfalls bestens, weil dort ohnehin jeden Abend gestorben wird. "Das Verlangen" war deshalb sicher nicht der letzte "Tatort" aus der Theaterwelt und die nächste Leiche wartet bestimmt schon hinter dem Vorhang.

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