Auf der Bühne des Residenztheaters starb im "Tatort: Das Verlangen" am Sonntagabend eine Schauspielerin. Die Dreharbeiten zu dem Münchner Krimi stellten das Ensemble um Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec vor besondere Herausforderungen.
Der vorletzte Fall der scheidenden Münchner "Tatort"-Kommissare Franz Leitmayr (Wachtveitl) und Ivo Batic (Nemec) führte das Duo ans Münchner Residenztheater: Dort war tags zuvor während einer Vorstellung die junge Schauspielerin Nora Nielsen (Giulia Goldammer) auf offener Bühne kollabiert. Die Dreharbeiten des Films "Tatort: Das Verlangen", der ausschließlich im Theater sowie den dazugehörigen Gebäuden spielte, stellte die Crew vor besondere Herausforderungen ...
Worum ging es im "Tatort: Das Verlangen"?
Der Tod von Nora war im Grunde ein unglücklicher Zufall in doppelter Hinsicht: Um ein Haar wäre die junge Frau am Tatabend gar nicht auf der Bühne gestanden. Denn kurz vor der Aufführung von Anton Tschechows Drama "Die Möwe" war Nora, die die Rolle der Nina spielte, wie vom Erdboden verschluckt. Aus der Not heraus hatten die Intendantin Freya von Kaltenberg (Anna Stieblich) und der Regisseur Akim Birol (Thiemo Strutzenberger) bereits einen Ersatz gefunden: Stella Papst (Luzia Oppermann) war bereits im Kostüm, als die Inspizientin Lara Frost (Stephanie Schönfeld) Nora weinend in einer der Duschkabinen in der Garderobe fand.
Nach gutem Zureden fasste Nora sich, zog ihr Kostüm an und betrat die Bühne, wo sie in ihrer allerletzten Szene aus einer Weinflasche trank, die laut Skript eigentlich ihr Spielpartner Carl Mayerkoff (Lukas T. Sperber) hätte leeren sollen. Für ihn also war der mit dem starken Schmerzmittel Tilidin versetzte Kirschsaft eigentlich bestimmt gewesen, an dessen Folgen letztlich Nora starb.
Vergiftet wurde das Glas von der Garderobiere Ria Jäger (Liliane Amuat): "Ich wollte ihn gar nicht umbringen. Ich wollte nur, dass er auch mal leidet", verteidigte sie sich. Als enge Vertraute von Nora wusste sie von der toxischen Beziehung, die Nora mit Carl führte. Eine ähnliche Beziehung zu dem Schauspieler hatte ein halbes Jahr zuvor bereits die junge Schauspielerin Lily Bach in den Freitod getrieben.
Worum ging es wirklich?
Die Ermittlungen in diesem höchst emotionalen Kriminalfall fanden ausschließlich in den Räumlichkeiten des Münchner Residenztheaters, auf dessen Bühne im großen Haus, auf einer Probebühne, hinter den Kulissen und in verschiedenen theatereigenen Werkstätten statt. Das Fernsehpublikum bekam so einen einmaligen Einblick in die Arbeitswelt der Schauspielerinnen und Schauspieler sowie einiger weiterer Berufe am Theater.
"Die Tatsache, dass dieser Tatort vollständig in einem Theater spielt, war für uns gleichermaßen ein großer Reiz und eine enorme Herausforderung", betonen Produzent Jakob Claussen und Producer Thomas Klimmer in einem gemeinsamen Statement zum Film: "Besonders hervorheben möchten wir, dass dies ohne die außergewöhnlich enge Zusammenarbeit mit dem Residenztheater (Bayerisches Staatsschauspiel) nicht möglich gewesen wäre. Dafür sind wir sehr dankbar."
Welche Schwierigkeiten brachte der "Tatort" mit sich?
Die besonderen Herausforderungen der Dreharbeiten beschrieb auch Hauptdarsteller Udo Wachtveitl in einem Interview mit der BR-"Abendschau": "Wir müssen natürlich drehen, wenn Sommerferien sind. Sonst kommen wir hier gar nicht rein." Die Spielzeitpause in den Sommerferien nutzt das Theater aber für gewöhnlich für Umbauarbeiten: "Das heißt, wir können immer erst um vier Uhr, wenn die normalen Bautätigkeiten zu Ende sind, anfangen", fährt der Schauspieler fort. Für die "Tatort"-Crew bedeutete das, dass die Dreharbeiten in der Regel bis zwei oder drei Uhr morgens anhielten.
Für Wachtveitls Kollegen Miroslav Nemec kam noch ein weiterer besonderer Aspekt hinzu: Der heute 71-Jährige war von 1981 bis 1986 selbst festes Ensemblemitglied an dem Theater im Herzen Münchens. "Wenn man hier herkommt, holt einen das alles als Erinnerung wieder ein bisschen ein, was natürlich auch sehr schön ist, aber eben auch bewegend emotional", erklärte er im Interview mit der BR-"Abendschau".
Diese Stars treten derzeit wirklich im Residenztheater auf
Bei der in Ausschnitten im "Tatort: Das Verlangen" gezeigten Inszenierung von Anton Tschechows Drama "Die Möwe" handelt es sich übrigens nicht um eine reale Produktion des Bayerischen Staatsschauspiels: Unter Regie von Alvis Hermanis war das Stück zuletzt 2019 am zum Residenztheater gehörenden Cuvilliéstheater zu sehen.
Wohl aber können einige der im "Tatort" auftretenden Schauspielerinnen und Schauspieler derzeit am Residenztheater gesehen werden: Liliane Amuat, die im "Tatort" die Garderobiere Ria Jäger spielt, tritt am Residenztheater derzeit unter anderem als Pippi Langstrumpf auf. Vassilissa Reznikoff verkörpert unter anderem die Sally Bowles im Musical "Cabaret", während Lukas Rüppel unter anderem den Robert Dudley in "Maria Stuart" spielt.
Wie geht es mit dem Münchner "Tatort" weiter?
"Tatort: Das Verlangen" ist der vorletzte Fall für die beiden Kriminalhauptkommissare Leitmayr und Nemec. Ihr abschließender "Tatort" unter dem Arbeitstitel "Unvergänglich" ist als Zweiteiler mit den Filmnummern 99 und 100 bereits abgedreht. Er wird 2026 zu sehen sein. Unter dem vielsagenden Titel "Unvergänglich" erzählt der Krimi von den letzten vier Tagen, die Ivo Batic und Franz Leitmayr noch von ihrem Renteneintritt nach 35 gemeinsamen Dienstjahren trennen.
Doch dann wird in einem städtischen Betriebsraum tief unter dem Münchner St.-Quirin-Platz eine bis zur Unkenntlichkeit verbrannte weibliche Leiche gefunden. Die Kommissare und ihr Assistent Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) werden mit einer extrem kniffligen Faktenlage konfrontiert.
Letzterer wird dem "Tatort" übrigens erhalten bleiben: Künftig ermittelt Kalli Hammermann nämlich zusammen mit Kriminalhauptkommissar Nikola Buvak (Carlo Ljubek). Ein erster Film unter dem Arbeitstitel "Zwischenwelten" ist bereits abgedreht und soll ebenfalls 2026 zu sehen sein.
