Bürokratie-Wahnsinn Deutschland: Eigentlich wollte unsere Autorin sich vor allem mit der Gründung ihres Yoga-Studios befassen. Stattdessen nervten vor allem die Ämter.
Wir brauchen mehr Frauen, die gründen, haben sie gesagt. "Ich mach das mal", habe ich mir gedacht. Dass ich mir das wohl zu einfach vorgestellt hatte, wusste ich damals noch nicht. Der Zeitpunkt ist inzwischen vier Monate her, die Vorgeschichte eigentlich zügig erzählt: Neben meiner Tätigkeit als Journalistin gebe ich seit mittlerweile drei Jahren Yoga- und Pilatesunterricht.
Was anfangs als netter Ausgleich gedacht war, wurde mit der Zeit immer mehr und zu einem soliden zweiten Standbein. "Warum also nicht ein eigenes Studio gründen?", dachte ich mir, und warum, wenn ich doch ohnehin ein Pilates-Fan bin, nicht den Trend zum Reformer Pilates mitmachen? Zumal es bei mir in einem Hamburger Vorort weit und breit kein einziges Reformer-Studio gibt, und ich damit die Nische gut bedienen dürfte.
Tatsächlich fand ich recht bald eine geeignete Fläche, und es konnte losgehen. Businessplan erstellen, Mietvertrag unterschreiben, Ausbau starten, Wahl der Rechtsform. Damit leider auch verbunden: Behördengänge. Zunächst vereinbarte ich einen Notartermin, um eine UG zu gründen, danach wollte ich ein Gewerbe anmelden und mich um die ganzen Versicherungsanträge und Co. kümmern.
197 Tage für die Genehmigung eines Bauantrags
Meinen Notartermin hatte ich am 8. Oktober, also vor knapp zwei Monaten. Die Rechnung ließ nicht lange auf sich warten, die notarielle Urkunde und der Handelsregistereintrag hingegen schon. "Merkwürdig", dachte ich mir, denn eigentlich sollte ich laut Notar "zeitnah" eine Nummer vom Handelsregisteramt zugeschickt bekommen, ebenso wie die notarielle Urkunde zur UG-Gründung. "Zeitnah", das kann bei deutschen Ämtern ja aber so ziemlich alles heißen. Schließlich sind diese nicht unbedingt für ihr rasantes Tempo und ihren Elan bekannt.
Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Genehmigung eines Bauantrags in Hannover, der laut dem Sitzungsmanagement satte 197 Tage gedauert hat. Man kann für den Antragsteller nur hoffen, dass er seine aktuelle Wohnung nicht zu optimistisch gekündigt hatte. Mag sein, dass solche Verfahren komplex sind und die Beamten ihr Bestes tun. Den Antragsteller bringt dieses gemächliche Tempo dennoch oft in Schwierigkeiten, wie ich bald erfahren sollte.
Ohne Handelsregistereintrag geht es nämlich nur sehr schleppend voran. Den Eintrag braucht man für so ziemlich alles, um unternehmerisch tätig zu werden, wie ich beim Versuch, ein Bankkonto zu eröffnen und dem Ausfüllen eines Formulars zur Anmeldung eines Gewerbes, herausfand.
"Ich höre oft von Gründern, die Probleme mit dem Registergericht haben", sagt Rechtsanwältin und Notarin Annika Seebach aus Kassel. Sie führt Beurkundungen durch und hat mit der Langsamkeit der Ämter auch persönliche Erfahrungen gemacht. "Als ich mich selbstständig gemacht habe, hat es auch gedauert, bis der Handelsregisterauszug kam", erzählt Seebach, "ich hatte deshalb lange keine Umsatzsteuer-ID, die ich aber brauchte, um Rechnungen zu schreiben."
Probleme wie diese würden Gründer regelmäßig in die Zwickmühle bringen: Um ein Konto zu eröffnen, braucht man vielerorts den Handelsregisterauszug, gleichzeitig soll die Gebühr für eben diesen vom Geschäftskonto überwiesen werden. Da fragt man sich, in welchem Amt wohl diese lustige Idee aufkam.
"Man versucht so gegen Geldwäsche anzugehen", erklärte mir die geduldige Mitarbeiterin in der Bankfiliale, bei der ich ein Konto eröffnen wollte. Erst der Auszug des Handelsregisters mache ein Unternehmen zu einer juristischen Person. "Wir würden uns auch wünschen, dass wir nicht jeden prüfen", sagte die Bankmitarbeiterin. Nicht nur sie. Die teilweise unlogische Reihenfolge der Prozesse macht auch Gründer ratlos.
Bürokratie: Ohne Handelsregistereintrag kein Gewerbe
"Viele Gründer wissen gar nicht, womit sie bei all den Prozessen anfangen sollen", sagt Seebach. Ihr Eindruck ist, dass Gründen durch die deutsche Bürokratie an vielen Stellen unnötig erschwert und blockiert wird. "Leider ist es der Klassiker, dass man nicht richtig über die einzelnen Schritte aufgeklärt wird und die Ämter sehr langsam sind", sagt die Notarin. Was viele Gründer jedoch nicht wissen: Oft ist auch schon die notarielle Beurkundung ein ausreichender Ausweis. So auch für mich, denn mit dem Zusatz "UG i.G." (in Gründung) konnte ich dann gnädigerweise doch ein Konto beantragen, nachdem mir der Notar die Beurkundung zur Gründung ein paar Wochen später zugeschickt hatte.
Bei der "UG in Gründung", die sich rechtlich noch im Gründungsstadium befindet, müssen allerdings die Gesellschafter – sprich: ich – persönlich haften, bis die Eintragung ins Handelsregister erfolgt ist. Statt mit beschränkter Haftung zu haften, wie es bei einer UG der Fall ist, haftete ich von da an also mit meinem Privatvermögen. Ein Umstand, den man als Gründerin notgedrungen akzeptieren muss. Ich war aber nicht nur deshalb daran interessiert, möglichst schnell als "haftungsbeschränkt" im Handelsregister eingetragen zu werden. Ohne Handelsregisterauszug konnte ich nach wie vor kein Gewerbe beantragen, denn auch dafür braucht man zumindest Informationen über den Handelsregistereintrag, wie die "Registerform", die "Registernummer" und das "Registergericht". All das lag mir nicht vor.
Schrittgeschwindigkeit in deutschen Ämtern
Als zwei Wochen vor meiner offiziellen Eröffnung und mehr als eineinhalb Monate nach meinem Termin beim Amt immer noch nichts passiert war, wurde ich allmählich unruhig. Vielleicht sollte ich doch noch mal beim Notar anrufen und nachhaken, beschloss ich.
"Das ist normal, das dauert sechs bis acht Wochen", beruhigte er mich, versprach aber beim Amt nachzuhaken. Am nächsten Tag folgte die Rückmeldung: "Die Unterlagen sind jetzt auf dem Weg", sagte der Notar zu meiner Erleichterung. Bis zur geplanten Eröffnung waren es noch zwei Wochen – die sich jedoch schneller als gedacht in zehn Tage verwandelten, und es war immer noch nichts angekommen.
Der Notar, inzwischen leicht genervt, händigte mir schließlich die Durchwahl der zuständigen Bearbeiterin und die dazugehörige Vorgangsnummer aus. Warum ich selbst nachhaken sollte, wurde mir spätestens klar, als ich den gesamten Vormittag damit verbrachte, überhaupt jemanden beim Amt zu erreichen.
"Frau Ponath, haben Sie Ihren Briefkasten beschriftet?", fragte mich die Beamtin streng, die nach mehreren Stunden beharrlichen Anrufens endlich abhob. Nein, natürlich nicht, weil ich bis dato noch gar nicht offizielle Mieterin war. Das Mietverhältnis startete erst jetzt, kurz vor Eröffnung, und ohne Handelsregistereintrag konnte ich ja ohnehin nur als Privatperson oder "UG in Gründung" mieten. Für mich ein klassischer Henne-Ei-Moment im deutschen Recht: Das Registergericht verlangt eine zustellfähige Firmenadresse, bevor die UG überhaupt offiziell existiert.
"Sie sollen damit nachweisen, dass Sie als Firma eine Adresse haben." Und warum sagt einem das niemand vorher? Offenbar landen Zustellungen andernfalls im Nirwana. Alles klar, dachte ich, und fragte mich, wie viele Briefkästen in diesem Land wohl mit dem Namen irgendwelcher Firmen beschriftet sind, ohne dass diese dort tatsächlich ansässig sind. Genauso fragte ich mich, wie hoch die Kosten für den Steuerberater sein würden, der die Rechnungen ohne USt.-ID später umträgt, denn es gibt ja auch keine Umsatzsteuer-ID ohne Handelsregistereintrag.
Regeln voller Widersprüche
Zwei Tage vor der geplanten Eröffnung hatte ich immer noch keine Post vom Amt – und damit ein echtes Problem. Dass man sich als Selbstständige um vieles kümmern muss, was einem früher wie selbstverständlich schien, wusste ich, aber dass man als Gründerin absolut abhängig davon ist, bis irgendwo irgendjemand endlich ein Dokument abstempelt, war mir neu.
Und weil ich trotz fehlender Rückmeldung längst mit dem Studioaufbau begonnen hatte – die Webseite existierte bereits, und es ließen sich bereits Kurse reservieren, damit ich schnell starten und meine Ausgaben für die Gründung wieder reinholen konnte– schlich sich langsam ein ungutes Gefühl ein: Ich arbeitete faktisch schon gewerblich – ohne offiziell als Gewerbe zu existieren, denn auch hierfür hätte ich Registerart und -nummer angeben müssen, um mich anzumelden.
Im Zweifelsfall zieht diese Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld nach sich – je nachdem, wie lange und wie umfangreich man "unerlaubt" gearbeitet hat. Das Finanzamt erfährt es früher oder später sowieso, spätestens, wenn Rechnungen geschrieben, Zahlungen eingehen oder Kunden ihre Ausgaben geltend machen. Dann folgen rückwirkende Steuern und eventuell Umsatzsteuer – inklusive Zinsen, versteht sich. Immerhin: Wirklich problematisch sei das nicht und würde sehr wahrscheinlich nur mit einem Bußgeld bestraft, sagt Notarin Seebach.
Versicherungstechnisch ist das Ganze ebenfalls problematisch. Wer ohne angemeldetes Gewerbe mit Menschen arbeitet, haftet im Fall eines Unfalls privat. Das bedeutet: Ein einziger blöd umgeknickter Knöchel könnte richtig teuer werden.
Das Absurde aber ist, dass man vieles davon gar nicht vermeiden kann, weil sich die einzelnen Behörden gegenseitig blockieren. Ohne Gewerbeanmeldung bekommt man keine Steuernummer. Ohne Handelsregistereintrag keine Umsatzsteuer-ID. Ohne Umsatzsteuer-ID keine sauberen Rechnungen. Und ohne zustellfähige Firmenadresse keinen Handelsregistereintrag.
Bei aller Kritik: Besserung ist in Sicht
Immerhin: Die Bundesnotarkammer hat das Problem erkannt, und auch die Bundesregierung geht dagegen an. "Die neue Bundesregierung will das Gründen erleichtern", sagt Notarin Annika Seebach und verweist auf einen Bericht der Bundesnotarkammer, der auf die Rolle von Notaren beim Abbau bürokratischer Hürden eingeht. Eine Neuerung soll den bearbeitenden Notar zum "One-Stop-Shop" machen, das heißt, dass zukünftig alle behördlichen Schritte hier gebündelt werden sollen. "Ich finde das wichtig", sagt Seebach, "wir können die Leute so mehr an die Hand nehmen."
Gründern selbst rät sie dazu, sich für die Gründung grundsätzlich mehr Zeit zu nehmen und den Austausch mit anderen Gründern zu suchen. "Die können einem mit ihren Erfahrungen oft weiterhelfen." Auch ein guter Draht zum Steuerberater sei wichtig.
Laut der Bundesregierung sollen Gründungen bald innerhalb von nur 24 Stunden möglich sein. Durch diese neue Regelung soll man theoretisch an nur einem einzigen Tag gründen können. "Ob sich das so umsetzen lässt, wird man sehen", sagt Annika Seebach, und ich pflichte ihr stumm bei: Am Ende können Gründer und Notare sich so sehr informieren und beeilen, wie sie wollen – ohne das nötige Engagement auf den Beamtenstühlen wird nichts vorangehen.
Heute, zweieinhalb Monate nach meinem Notartermin, halte ich ihn nun doch endlich in den Händen – meinen Handelsregisterauszug. Rückblickend bleibt bei mir vor allem eine Erkenntnis: Wer in Deutschland gründet, braucht Mut an ganz anderer Stelle, als viele denken: Nicht, um die eigene Idee umzusetzen oder den Sprung vom Festgehalt zum Honorar zu machen, sondern vor allem, um während des endlosen Wartens auf Ämter und Behörden unternehmerische Entscheidungen zu fällen. "Ich als Unternehmerin würde sagen: Da muss man immer den Worst Case im Auge haben", rät Seebach. Soll heißen: unternehmerisches Risiko abwägen und loslegen.
Für mich und meinen Fall hieß das konkret: Während die Mühlen der Bürokratie immer noch mahlen, habe ich längst geöffnet, Kurse gegeben, Rechnungen geschrieben und Gebühren überwiesen – auf eigenes Risiko, versteht sich. Für die Zeit, die Nerven und den Mehraufwand, den die behördliche Langsamkeit verursacht, kommt selbstverständlich niemand auf. Aber: Hey, wir brauchen mehr Frauen, die gründen.
