Zu Silvester gehen Abermillionen Euro in die Luft, werden Hände weggesprengt und Tiere verängstigt. Ein Böllerverbot fordern viele Experten, kommen wird es leider nie.
Frankreich, Australien, Italien, Chile und Irland sind böllerfrei. Die Niederlande folgen nächstes Jahr. In Deutschland herrscht Knallverbot auf Sylt und in Wyk auf Föhr sowie in St. Peter-Ording. Zudem (ganz generell) in der Nähe von Kirchen, Reetdachhäusern, Krankenhäusern, Kinder,- Pflege- und Altersheimen. Außerdem in den Innenstädten von Düsseldorf, Lübeck, Aachen, Bochum, sowie in Teilen Bielefelds, Duisburgs, Hamburgs, Kölns, Münsters.
Auf den Nordseeinseln Amrun und Föhr beschwerten sich jüngst die örtlichen Touristikverbände über ein Gerichtsurteil, das ein allgemeines Böllerverbot aufgehoben hatte: "Für uns ist es völlig unverständlich, dass die gängige und akzeptierte Praxis, an Silvester auf Feuerwerk zu verzichten, jetzt infrage gestellt wird", heißt es und: "Wir haben vollstes Verständnis für den Frust und die Enttäuschung der Gäste, die ihren Urlaub gerade aufgrund des Verbots gebucht haben."
Böllerverbot als Touristenmagnet
Standortvorteil knallerfreie Zone. Hunde- und Katzenbesitzer wissen sie schon länger zu schätzen. Ebenso die von üblichem Silvesterlärm genervten (Groß-)Städter. Und natürlich alle Eltern, denen bereits bei der Vorstellung, dass ihren Kindern im Straßen-Explosionshagel etwas passieren könnte, ganz anders wird. Dazu muss nicht erst eine Kugelbombe die Beine eines Kindes zerfetzen, wie es beim vergangenen Jahreswechsel einem Siebenjährigen in Berlin-Tegel passiert ist.
Klar, es macht schon manchmal Spaß herumzuballern und Raketen in die Luft zu schießen, um die letzten Geister des Jahres zu vertreiben – wenn da nur nicht die anderen wären, die die gleiche Idee haben. "Zunehmend sind Menschen übermütig und verwenden legale Gegenstände wie Böller oder Raketen unsachgemäß", heißt es bei der Polizeigewerkschaft GdP etwa spröde. Anders formuliert: Die Leute werden immer rücksichtsloser.
Es gibt Gegenden, in denen schon mit Verkaufsstart von morgens bis abends die Böller herumfliegen. Nicht selten gezündet von aufgekratzten Teenagern, die meist nur eine grobe Ahnung davon haben, was genau sie da eigentlich tun. Dazu kommen üble Sprengkörper aus allen Teilen der Welt, online geliefert, von denen niemand weiß, wie "sicher" sie eigentlich sind und ob überhaupt.
Kriegsverletzungen durch Silvester-Feuerwerk
Ärzte, die Silvester Dienst haben, berichten von schwersten Hand- und Gesichtsverletzungen, wie sie sonst nur im Krieg vorkommen. Und die Hälfte aller Opfer hat nicht einmal selbst gezündelt.
"Wir reden über explodierende Kosten im Gesundheitswesen, Ressourcenknappheit in der Pflege. Und dann erlauben wir uns als Gesellschaft, an wenigen Tagen im Jahr das Gesundheitswesen an seine Grenzen zu bringen, weil Böller frei verkauft werden", sagt der Chef der Dresdener Handchirurgie, Adrian Dragu.
Regelmäßig setzt verirrtes Feuerwerk Autos und ganze Häuser in Brand. 2010 schlug eine Silvesterrakete in Aachen in der Nikolauskirche ein und fackelte fast das gesamte Gebäude ab. Tote gibt es auch, bundesweit waren es allein fünf zum Jahreswechsel 24/25.
200 Millionen Euro wurden in Deutschland vergangenes Jahr für Feuerwerk ausgegeben. Rund 100 Millionen mussten allein die Kfz-Versicherer für Böllerschäden an Autos zahlen. Ein Prozent der gesamten jährlichen Feinstaubmenge wird durch die Knallerei zum Jahreswechsel freigesetzt.
Experten fordern zu Recht ein Böllerverbot
Mediziner, die Polizei, Teile der Politik, Ökonomen und Ökologen, Tierschützer – eigentlich alle, die sich mit den Folgen der Silvesterknallerei beschäftigen, fordern mittlerweile ein Böllerverbot. Zumindest aber die Beschränkung des Feuerwerks auf wenige, öffentliche Plätze. Zu Recht.
Vermutlich aber versanden die Diskussionen darüber genauso wie Debatten über das Ende der Zeitumstellung oder die Einführung eines Tempolimits weiterhin einfach nur im Tidenhub der Jahreszeiten.
