Energie: Wo Sachsen beim Wasserstoffnetz steht - und was 2026 bringt

Published 2 hours ago
Source: stern.de
Energie: Wo Sachsen beim Wasserstoffnetz steht - und was 2026 bringt

Wo künftig Unternehmen investieren und Arbeitsplätze entstehen, hängt auch vom Ausbau des Wasserstoffnetzes ab. In Sachsen kommt der Netzausbau voran - 2026 gilt dabei als Schlüsseljahr.

Wasserstoff gilt als ein möglicher Baustein, um energieintensive Industrien wie Stahlwerke, Chemieanlagen und andere Fabriken klimafreundlicher zu machen. Doch bevor der Energieträger in großem Stil genutzt werden kann, braucht es Leitungen. Auch in Sachsen wird daran gearbeitet - mit Pilotprojekten und politischen Beschlüssen, aber auch mit offenen Fragen zu regionalen Anschlüssen und Verteilnetzen.

Warum reicht grüner Strom allein nicht aus?

Mit Elektrifizierung allein lasse sich das Ziel der Klimaneutralität nicht erreichen, sagt Dominik Möst, Professor für Energiewirtschaft an der TU Dresden. "Es braucht auch weiterhin molekülbasierte Energieträger." Wasserstoff gelte dabei als zentraler Baustein, vor allem für die energieintensive Industrie und für Prozesse mit sehr hohen Temperaturen.

Warum braucht es dafür ein Netz?

"Während bei geringen Bedarfen Lkw-Anlieferung eine Option ist, ist diese Option bei großen Bedarfen nicht mehr die kostengünstigste", erklärt Möst. Eine Pipeline-Anlieferung sei dann deutlich günstiger. Wegen der geringeren Energiedichte von Wasserstoff stoße der Straßentransport schnell an Grenzen. Ein Leitungsnetz sei daher Voraussetzung für den industriellen Hochlauf.

Wie sieht das geplante Wasserstoffnetz aus?

Grundlage für den Ausbau ist das bundesweite Wasserstoff-Kernnetz, das die Bundesnetzagentur im Oktober 2024 genehmigt hat. Bis 2032 sollen bundesweit rund 9.040 Kilometer Leitungen entstehen, überwiegend durch die Umstellung bestehender Erdgasleitungen. Das Kernnetz soll zentrale Erzeuger, Speicher und große Abnehmer verbinden.

Nach Angaben des sächsischen Wirtschaftsministeriums ist im Freistaat "in der ersten Stufe des Wasserstoffkernnetzes der Anschluss für den Raum Dresden, Leipzig und Zwickau sowie die Lausitz und den Industriebogen Meißen vorgesehen". Ziel sei es, Produzenten und Abnehmer zu verbinden und so Investitionssicherheit zu schaffen.

Wo ist der Ausbau in Sachsen am weitesten?

Im Raum Leipzig sind Planungen bereits weit fortgeschritten. Dort soll das BMW-Werk ab Mitte 2027 direkt per Pipeline mit Wasserstoff versorgt werden. BMW will damit weltweit der erste Automobilproduktionsstandort mit einem solchen Anschluss werden. Anfang Oktober 2025 unterzeichnete der Konzern dazu Verträge mit Mitnetz Gas und dem Leipziger Fernleitungsnetzbetreiber Ontras.

Ontras ist für den Ausbau des Wasserstoffnetzes in Ostdeutschland zuständig. Mit dem sogenannten H2-Startnetz "realisiert Ontras bis 2032 ein rund 600 Kilometer umfassendes Wasserstofftransportnetz für Mittel- und Ostdeutschland", teilt das Unternehmen mit. Rund 80 Prozent der Leitungen sollen durch die Umstellung bestehender Gaspipelines entstehen, etwa 20 Prozent durch Neubauten. In Sachsen würden dabei rund 120 Kilometer Leitungen für den Wasserstoffbetrieb ertüchtigt. "Die Fertigstellung des Ontras H2-Startnetzes in Sachsen wird, laut aktuellem Planungsstand, Mitte 2028 abgeschlossen sein", so Ontras. 

Neben den Planungen der Fernleitungsnetzbetreiber für das Wasserstoff-Kernnetz wird auch auf regionaler Ebene an der Anbindung von Industrie und Gewerbe gearbeitet. Die Metropolregion Mitteldeutschland hat mit der 2024 veröffentlichten Studie "Wasserstoffnetz Mitteldeutschland 2.0" ein Zielbild für ein künftiges regionales Verteilnetz vorgelegt. "Die sächsischen Leitungsabschnitte und Bedarfscluster sind eindeutig definiert", sagt der Geschäftsführer der Metropolregion Mitteldeutschland, Jörn-Heinrich Tobaben. Damit sei Sachsen fest in die nationale Gesamtplanung eingebunden und könne nun in die Ausarbeitung weiterer konkreter Projekte übergehen.

Was steht im Jahr 2026 an?

2026 gilt nach Einschätzung der beteiligten Akteure als wichtiges Umsetzungsjahr. Ontras erwartet unter anderem Fortschritte bei der Umstellung zentraler Leitungsabschnitte, etwa zwischen Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt und dem Norden von Leipzig, der später auch das BMW-Werk versorgen soll.

Zudem ist für das kommende Jahr das Planfeststellungsverfahren für eine sogenannte Erdgasersatzbaumaßnahme im Leipziger Norden vorgesehen. Der Baustart ist nach Angaben des Unternehmens für Ende 2026 geplant. Die Maßnahme soll die Wärmeversorgung absichern, wenn bestehende Leitungen auf Wasserstoff umgestellt werden.

Nach Angaben des sächsischen Wirtschaftsministeriums sollen ab Anfang 2026 die Betreiber des Wasserstoff-Kernnetzes erstmals reservierbare Transportkapazitäten anbieten. Unternehmen könnten sich damit Ein- und Ausspeisekapazitäten sichern und ihre Wasserstoffprojekte besser absichern.

Wer ist bislang nicht angebunden - und warum sorgt das für Kritik?

Dass nicht alle Regionen von Beginn an das Kernnetz angeschlossen sind, hatte bei manchen zunächst Unmut ausgelöst. Vor allem in den ostdeutschen Kohleregionen wurde befürchtet, beim Aufbau neuer Energieinfrastruktur benachteiligt zu werden. 

Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) hat im Sommer deshalb vom Bund ausgewogene Energiepolitik eingefordert. Neue Gaskraftwerke und Wasserstoffinfrastruktur seien auch als Abnehmer wichtige Anker für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. "Wenn der Bund über Versorgungssicherheit spricht, muss auch die Lausitz Teil der Lösung sein - nicht nur Bayern oder Baden-Württemberg", sagte Panter damals. 

Tatsächlich gehören Chemnitz und Teile Südwestsachsens bislang nicht zur ersten Ausbaustufe des Kernnetzes. Die Staatsregierung betont jedoch, dass sie sich weiter für deren Anschluss einsetze. "Wir setzen uns beim Bund dafür ein, dass neben Leipzig, Dresden und dem Meißner Industriebogen zeitnah auch Chemnitz und Südwestsachsen, Freiberg und die Oberlausitz an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen werden", heißt es im Koalitionsvertrag.

Welche Bedeutung hat die Lausitz? 

Politisch flankiert wird der Netzausbau durch das geplante "Net Zero Valley Lausitz". Das sächsische Kabinett hat dem Projekt vor wenigen Tagen zugestimmt. Gemeinsam mit Brandenburg soll die Lausitz zu einem Vorbild für klimaneutrale Industrie werden. Wasserstoff zählt hierbei zu den Schlüsseltechnologien.

Wirtschaftsminister Panter sprach von einer "historischen Chance". "Wir schaffen Planungssicherheit, regen Investitionen an und geben der Lausitz eine klare Richtung - hin zu einem starken, nachhaltigen Wirtschaftsstandort", sagte er. Konkrete Ansiedlungen gebe es zwar noch nicht, zunächst gehe es darum, einen Rahmen zu setzen.

Was bedeutet das für die Bevölkerung? 

Direkt nutzen werden die meisten Menschen Wasserstoff nicht. Indirekt kann der Aufbau des Netzes jedoch industrielle Wertschöpfung sichern, Arbeitsplätze schaffen und CO2-Emissionen senken. Klar ist aber auch: Grüner Wasserstoff ist bislang nicht wettbewerbsfähig.

"Der Markthochlauf wird nur durch staatliche Förderung gelingen", erklärt Energieexperte Möst. Ob aus den Plänen ein tragfähiges Netz wird, dürfte sich in den kommenden Jahren entscheiden. Das kommende Jahr gilt dabei als erste Bewährungsprobe für den Hochlauf.

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