Vogelgrippe & Co.: Bauernverbände: Impfungen keine Pauschallösung gegen Seuchen

Published 1 hour ago
Source: stern.de
Vogelgrippe & Co.: Bauernverbände: Impfungen keine Pauschallösung gegen Seuchen

Flächendeckende Impfungen gegen Tierseuchen stoßen bei Ostdeutschlands Bauernverbänden auf Skepsis. Warum Aufwand und Nutzen besonders bei Masttieren abgewogen werden müssen.

Ostdeutschlands Bauernverbände halten flächendeckende Impfungen nicht für eine pauschale Lösung gegen das Auftreten von Tierseuchen bei Nutztierhaltern. "Dann ist immer die Frage, wie teuer ist das Impfen und wie lange werden die Tiere tatsächlich gehalten?", sagte Juliane Streubel, Fachreferentin für Nutztierhaltung beim Sächsischen Landesbauernverband (SLB), der Deutschen Presse-Agentur. So sei eine Impfung gegen die nach wie vor in ostdeutschen Betrieben grassierende Vogelgrippe bei Legehennen womöglich sinnvoll.

Bei Masttieren, die binnen kürzester Zeit geschlachtet werden, sei der Aufwand womöglich höher als der Nutzen. Zudem sei bei geimpften Tierbeständen mitunter schwer erkennbar, ob ein Tier mit tatsächlichen Erregern belastet ist oder nur Rückstände abgetöteter Erreger aus Impfstoffen aufweist. Dies erhöhe bei Schlachtungen womöglich den Testaufwand.

Sorgen vor neuen Virus-Varianten in großen Tierbeständen

Erik Hecht, Sprecher des sachsen-anhaltischen Bauernverbandes, teilt zudem die Befürchtungen von Infektiologen und Virologen: "Wenn Geflügel gegen beispielsweise eine Vogelgrippe geimpft ist, können sie den Erreger trotzdem weiter verschleppen." Somit können augenscheinlich gesunde Tiere dennoch eine Gefahr für andere Tiere darstellen. Hinzu komme, dass es so in Beständen mit vielen zehn- oder gar hunderttausenden Tieren dazu kommen könne, dass "das Virus einen Entwicklungsschritt macht und dann doch stärkere Auswirkungen hat als wenn man versucht, das möglichst stark einzudämmen", so Hecht. 

Zwar existieren mehrere kommerzielle Impfstoffe gegen das Vogelgrippe-Virus, sie sind in Deutschland allerdings noch nicht zugelassen. Das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) testet ihre Sicherheit derzeit bei Gänsen. Das Institut in Greifswald schätzt das Risiko der seit Oktober verstärkt grassierenden Vogelgrippe nach wie vor hoch ein. Zwar sei das Seuchengeschehen unter Wildvögeln zurückgegangen. Dennoch zirkuliere das Virus.

Erst am Donnerstag hatte es in Sachsen im Kreis Meißen erneut einen Vogelgrippe-Ausbruch gegeben. In einem Großbetrieb in Ebersbach nahe Radeburg im Landkreis Meißen muss der gesamte Tierbestand getötet werden. Betroffen seien rund 310.000 weitere Tiere, nachdem zuvor bereits über 100.000 Tiere getötet werden mussten. Auch der Zoo Leipzig war zuletzt betroffen und musste sämtliche Pelikane töten.

Verbände: Auswirkung der Blauzungenkrankheit geringer

Beim ebenfalls in dieser Woche im Kreis Meißen erstmals seit 16 Jahren nachgewiesenen Serotyp 8 der Blauzungenkrankheit schätzen Experten die Auswirkungen geringer ein. Eine Restriktionszone mit einem Radius von 150 Kilometern betrifft neben ganz Sachsen auch das südliche Brandenburg, Teile von Berlin, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Aus der Zone dürfen für das Blauzungenvirus empfindliche Tiere wie Rinder, Schafe oder Ziegen nur unter bestimmten Bedingungen in virusfreie Regionen innerhalb Deutschlands und der EU gebracht werden. Die Bestände würden sich nach einem Befall in der Regel erholen, so Sachsen-Anhalts Bauernverbandssprecher Hecht. Neben einer Impfung, für die es in Sachsen-Anhalt und Sachsen derzeit keine finanziellen Hilfen gibt, sei auch ein Schutz durch Mückenabwehrmittel möglich.

Die Blauzungenkrankheit ist eine durch bestimmte blutsaugende Stechmücken übertragbare Virusinfektion. "Wir wurden überrascht zu einer Jahreszeit, wo das eigentlich nicht so üblich ist", so SLB-Fachreferentin Streubel. Zwar seien Tiertransporte bei vorheriger Blutuntersuchung weiter möglich. Doch auch hier erhöhen sich Kosten und Aufwand.

Eine Grundimmunisierung mittels des verfügbaren Impfstoffes brauche mehrere Wochen. Die Hoffnung der rund 1.000 Rinderhalter in Sachsen liege nun eher auf kälterer Witterung, sodass die Mücken, die den Erreger übertragen, sich nicht mehr weiter verbreiten könnten. Finanzielle Hilfen für eine Impfung gegen die Blauzungenkrankheit gibt es neben Brandenburg auch in Thüringen. Dort wurden die Impfbeihilfen im gerade verabschiedeten Doppelhaushalt auch für die kommenden Jahre verlängert. "Da sind wir froh drum", so Beate Köber-Fleck, Hauptgeschäftsführerin des Thüringer Bauernverbandes.

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer hatte zuletzt Erwartungen an eine pauschale Vogelgrippe-Impfung gedämpft. Der CSU-Politiker verwies neben dem Kosten-Nutzen-Verhältnis auch auf Handelsrestriktionen, weil bestimmte Länder geimpftes Geflügel nicht mehr abnehmen. Mit einer Umfrage solle bei Handels- und Geflügelverbänden ausgelotet werden, wie sie zu Impfungen stehen.

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