Kosten für Rettungseinsätze: Krankenwagen-Einsätze: Was zahlen künftig die Patienten?

Published 8 hours ago
Source: stern.de
Kosten für Rettungseinsätze: Krankenwagen-Einsätze: Was zahlen künftig die Patienten?

Drohende Rechnungen für Rettungsdienst-Einsätze - das Thema erhitzt die Gemüter und erreicht jetzt auch den Landtag. Erste Kommunen machen in dem Streit finanzielle Zugeständnisse.

267 Euro Eigenanteil für jeden Patienten, der einen Krankenwagen braucht: Die Ankündigung der Stadt Essen, gesetzlich Versicherten eine Rechnung für Rettungseinsätze zu schicken, hat viele aufgeschreckt. Denn der zugrundeliegende Streit mit den Krankenkassen betrifft grundsätzlich alle Großstädte und Kreise in Nordrhein-Westfalen. 

Nun bringt die oppositionelle SPD das Thema mit einem Eilantrag noch in dieser Woche in den Landtag. Gleichzeitig zeigen einige Kommunen, wie sich der Streit mit den Kassen auch geräuschloser beilegen lässt.

Woran anzündet sich der Streit?

Wenn jemand einen Rettungswagen braucht, etwa bei einem Herzinfarkt oder bei akuter Atemnot, zahlt bei gesetzlich Versicherten bislang die Krankenkasse die Rechnung. Das lief lange problemlos. Doch nun haben die Krankenkassen erstmals angekündigt, sich ab 2026 an einem bedeutenden Teil der Kosten nicht weiter zu beteiligen. Der Knackpunkt sind sogenannte Fehlfahrten.

Was steckt hinter dem Konflikt um die "Fehlfahrten"?

"Fehlfahrten" sind Einsätze, bei denen ein Rettungswagen rausfährt, ohne am Ende einen Patienten ins Krankenhaus zu bringen - etwa, weil einem Verletzten vor Ort geholfen wurde. Für solche "Fehlfahrten" bekommen die Träger der Rettungsdienste nach geltender Rechtslage kein Geld.

Die Kosten - laut NRW-Städtetag immerhin rund 250 Millionen Euro pro Jahr - wurden bislang einfach auf alle tatsächlichen Einsätze umgelegt. Doch das wollen die Krankenkassen nicht länger mitmachen und berufen sich auf geltende Bundesgesetze.

Weshalb gibt es keine landesweite Lösung?

Zuständig für den Rettungsdienst sind in Nordrhein-Westfalen die Kreise und kreisfreien Städte - davon gibt es mehr als 50. Jeder Kreis und jede Großstadt legt deshalb selbst die Gebühren fest. So kostet ein Einsatz eines Rettungswagens etwa in Essen im kommenden Jahr 1.020 Euro, in Wuppertal aber nur 699 Euro.

Die Kommunen verhandeln dann mit den Krankenkassen, ob sie diese Gebühren akzeptieren. Bislang gab es immer eine Einigung, so dass die Krankenkassen die Rechnungen für Rettungseinsätze direkt beglichen haben. Doch in den Verhandlungen über die Gebühren für 2026 haben Krankenkassen und Kommunen vielerorts keinen Kompromiss gefunden.

Weshalb drohen Versicherten bald hohe Rechnungen?

Die Stadt Essen hat angekündigt, trotz der gescheiterten Verhandlungen an ihrer Gebührenkalkulation festzuhalten. Die Stadtverwaltung wird also im neuen Jahr nach jedem Einsatz eines Rettungswagens eine Rechnung über 1.020 Euro an die Versicherung des Patienten schicken.

Weil die Krankenkassen die Gebührenkalkulation der Stadt Essen aber ablehnen, wird sie die Rechnung voraussichtlich eigenmächtig kürzen. Die Stadt rechnet mit einer Minderung des Betrags um rund 267 Euro. Über diese Summe will die Stadt deshalb künftig einen Gebührenbescheid an die Patienten schicken.

In anderen Großstädten und Kreisen könnte Patienten ähnliches bevorstehen - viele halten sich dazu aber noch bedeckt. Etwa der Rhein-Sieg-Kreis hat angekündigt, es genauso zu handhaben wie die Stadt Essen, allerdings werden dort bislang keine konkreten Summen genannt.

Wie machen es andere Städte?

Anderswo haben sich die Kommunen zähneknirschend auf die Krankenkassen zubewegt oder sind noch in Verhandlungen. Der Kreis Kleve am Niederrhein hat die Gebühr für einen Rettungswagen-Einsatz von 742 auf 710 Euro gesenkt - und dann grünes Licht von den Krankenkassen erhalten. Auch die Stadt Köln verhandelt noch und hofft auf eine ähnliche Lösung.

Das heißt aber auch, dass eigentlich benötigte Einnahmen verloren gehen. Die Kommunen müssen also in der Regel Steuergeld nutzen, um Defizite im Rettungsdienst auszugleichen.

Wie soll das Problem grundsätzlich gelöst werden?

Bei der Kostenverteilung läuft auf Bundesebene gerade der dritte Anlauf, die Finanzierungsvorschriften im Sozialgesetzbuch zu reformieren. Die bisherigen Regelungen sind Jahrzehnte alt und werden dem Leistungsspektrum eines modernen Rettungsdienstes kaum gerecht. Es wird aber wohl mindestens bis zum Sommer dauern, bis die Neuregelung greift. 

Die Krankenkassen fordern darüber hinaus ganz grundsätzlich eine Reform des Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen. Es müsse "deutlich effizientere und schlankere Strukturen" geben - das würde auch Kosten sparen, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Unter anderem könnte die Zahl der Leitstellen, aus denen die Einsätze gesteuert werden, nach Überzeugung der Kassen von heute 52 auf rund 18 reduziert werden.

Was kann die Landespolitik tun?

Die SPD im nordrhein-westfälischen Landtag hat einen Eilantrag eingereicht, über den der Landtag am Mittwoch beraten soll. Darin fordert die Oppositionspartei die Landesregierung zum Handeln auf. "Es darf nicht passieren, dass Menschen aus Angst vor hohen Kosten zögern, den Rettungsdienst zu rufen", sagt Fraktionsvize Lisa Kapteinat. "Die Landesregierung muss jetzt Verantwortung übernehmen, Gespräche mit den Krankenkassen führen und notfalls selbst übergangsweise einspringen, bis der Bund eine dauerhafte Lösung geschaffen hat", fordert sie.

Welche Pläne hat das NRW-Gesundheitsministerium?

Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium hatte zuletzt mitgeteilt, man betrachte den Streit zwischen Kommunen und Krankenkassen "mit großer Sorge". Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) will versuchen, in dem Konflikt zu vermitteln. Eine eigene Zuständigkeit sieht das Ministerium bei sich aber nicht.

Categories

RettungseinsatzEssenKrankenwagenNordrhein-WestfalenEigenanteilSPDKonfliktDüsseldorfFehlfahrt