Uni-Projekt: Sprachforschung: Was die DialektApp verrät

Published 9 hours ago
Source: stern.de
Uni-Projekt: Sprachforschung: Was die DialektApp verrät

Hochsprache statt Dialekt? Wissenschaftler wollen herausfinden, wie intensiv in Bayern noch Bairisch, Fränkisch und Schwäbisch gesprochen wird. Eine DialektApp liefert erste Erkenntnisse.

Rund eine Million Antworten von etwa 15.000 Teilnehmern haben die Macher der DialektApp "DaBay" im vergangenen halben Jahr gesammelt. "Das ist sehr, sehr erfreulich", sagt Projektleiter Philip Vergeiner. Zusammen mit Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München erforscht er, wie sich Dialekte in Bayern entwickeln. Die Daten aus der DialektApp seien teils überraschend.

In manchen Regionen Bayerns sprechen noch viele Menschen ausgeprägten Dialekt, gerade in Großstädten setzt sich der Trend zum Hochdeutschen fort - soweit die Ausgangssituation. Den großen Einfluss der Hochsprache bestätigten die Antworten der Projektteilnehmer, so Vergeiner. Der promovierte Dialektologe hat die DialektApp zusammen mit dem Sprachwissenschaftler Lars Bülow und dem Software-Studio Level51 entwickelt.

"Es gibt viel Wandel, im fränkischen und schwäbischen Teil des Freistaates mehr als in Altbayern", stellt Vergeiner fest. Gerade Begriffe oder Ausspracheformen, die eher kleinräumig verbreitet und von Dorf zu Dorf verschieden sind, verschwänden zunehmend. Während diese im Fränkischen und Schwäbischen eher durch Hochsprache ersetzt würden, bilde sich in Altbayern eine Art Ausgleichsbairisch.

Dieses beeinflusse auch das Schwäbische. Als Beispiel nannte Vergeiner den Lech, der als Dialektgrenze zwischen Bairisch und Schwäbisch gilt und über den nun Bairisch ins Schwäbische hinüberschwappe.

Interessant sei auch, dass die Teilnehmer für manche Wörter keine Dialektbegriffe mehr wissen. Umfragematerial von vor 100 Jahren zeige beispielsweise, dass es für Wörter wie Marienkäfer, Löwenzahn oder Tannenzapfen teils 20 bis 30 verschiedene Dialektbegriffe gab - heute praktisch keine mehr.

Auffallend sei, dass gerade im zwischenmenschlichen Bereich und bei alltäglichen Dingen noch stärker Dialekt verwendet werde, bei Themen wie Natur und Landwirtschaft dagegen immer weniger.

Außerdem gehe aus den Antworten hervor, dass die Teilnehmer manche Dialektbegriffe zwar noch kennen, diese aber nicht mehr aktiv gebrauchen. Die Begriffe würden insofern nicht mehr an die nächste Generation weitergegeben.

Wie wird Dialekt wahrgenommen?

Interessant ist für die Macher der App auch, ob Dialektsprecher im Alltag, in Schule oder Berufsleben möglicherweise Vor- oder Nachteile haben. Denn, so sagt Vergeiner, es gehe nicht nur um Wortschatz, Aussprache und Grammatik, sondern auch um die persönliche Wahrnehmung der Teilnehmer.

Bei den Antworten müsse man aber berücksichtigen, dass die Umfrage via DialektApp nicht repräsentativ sei und sich tendenziell Menschen beteiligten, die ohnehin eine Affinität zu Dialekt haben. 

Es sei also nicht verwunderlich, dass die Teilnehmer den Wandel bei der Dialektnutzung überwiegend als negativ oder gar beunruhigend empfänden. Es gebe jedenfalls den Wunsch, den Trend weg vom Dialekt aufzuhalten - sei es in Schule, Medien oder Politik. 

Experte: Noch kein Untergang der Dialekte

Einen Untergang der Dialekte sieht der Fachmann bei allem Wandel noch nicht. "Es ist viel im Umbruch." Mobilität und Mediennutzung hätten einen großen Einfluss. Komplett verschwinden würden Dialekte absehbar nicht, prognostiziert Vergeiner. Die Entwicklung gehe zu regional gefärbten Zwischensprachen: "Regiolekt statt Dialekt."

Das App-Projekt "DaBay" ist zunächst bis Ende 2026 angelegt und wird von der LMU finanziert. Unterstützung gibt es von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mittels Forschungsstipendium. Über einen AppStore kann "DaBay" nicht geladen werden. Die App funktioniert Web-basiert. "DaBay" ist spielerisch und unkompliziert aufgebaut.

Es gibt 38 Themen wie "Im Haushalt", "Tiere", "Schimpfen und Fluchen", "Beim Backen" oder "Redewendungen". Die Fragen werden laufend aktualisiert beziehungsweise neue hinzugefügt. Die Teilnahme ist weiterhin möglich.

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