Antisemitischer Anschlag: Mindestens 16 Tote in Sydney – Angreifer hatten wohl Verbindungen zum IS

Published 18 hours ago
Source: stern.de
Antisemitischer Anschlag: Mindestens 16 Tote in Sydney – Angreifer hatten wohl Verbindungen zum IS

Der Angriff auf ein Chanukka-Fest in Sydney erschüttert Australien und die Welt. Es gibt Verletzte und Tote. Nun gibt die Polizei Details zu den mutmaßlichen Tätern heraus.

Nach dem Anschlag auf ein jüdisches Fest im australischen Sydney haben die Ermittler die beiden Angreifer als Vater und Sohn identifiziert. Das teilte die Polizei bei einer Pressekonferenz mit. Der 50-jährige Vater war von Einsatzkräften am Tatort erschossen worden. Der 24-jährige Sohn wurde gefasst und mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei geht nicht davon aus, dass am Tatort weitere Täter beteiligt waren. 

Nach Auffassung der Behörden richtete sich der Angriff gezielt gegen jüdische Menschen. Australiens Premierminister Anthony Albanese bezeichnete die Tat als "bösartigen Akt des Antisemitismus" und Terror. Die Zahl der Toten gibt die Polizei mittlerweile mit 16 an. 14 Menschen seien am Tatort, dem beliebten Bondi Beach, gestorben. Eine 10-Jährige und ein 40-Jähriger starben später im Krankenhaus.

Die Polizei durchsuchte inzwischen zwei Häuser in Sydney, in denen die beiden Attentäter gewohnt haben sollen. Der Vater besaß nach Angaben der Polizei sechs registrierte Schusswaffen, die er offenbar alle bei dem Anschlag benutzte. Premierminister Albanase schlug am Montag eine Verschärfung der Waffengesetze vor.

Angreifer wohl mit Kontakten zum IS

Viele Familien hatten sich am Bondi Beach getroffen, um Chanukka zu feiern. Es war der erste Tag des achttägigen jüdischen Lichterfests. Mehr als 1000 Menschen waren nach Polizeiangaben vor Ort, als die beiden Täter mit Langwaffen das Feuer eröffneten.

Für Aufsehen sorgte in Australien auch das mutige Eingreifen eines Passanten. Auf Videos in Onlinenetzwerken ist zu sehen, wie der unbewaffnete Zivilist einen der beiden Angreifer von hinten umklammert und ihm sein Gewehr entreißt. Australiens Premierminister Albanese feierte ihn als "Helden", auch US-Präsident Donald Trump sprach ihm seinen "großen Respekt" aus.

Drei Schusswaffen seien sichergestellt worden, teilte die Polizei mit. In einem Auto, das einem der Täter zugeordnet wurde, fanden die Ermittler zudem improvisierte Sprengsätze. Wie der Rundfunksender ABC berichtete, hatte der australische Geheimdienst vor sechs Jahren mögliche Verbindungen des 24-Jährigen zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) überprüft. 

Er soll demnach in engem Kontakt zu einem IS-Kämpfer gestanden haben, der 2019 verhaftet und in Australien wegen der Vorbereitung einer terroristischen Straftat verurteilt worden war. Anti-Terror-Ermittler gehen demnach davon aus, dass Vater und Sohn dem IS einen Treuerschwur leisteten. In ihrem Auto am Bondi Beach sollen zwei IS-Flaggen gefunden worden sein.

Die Person sei den Behörden zwar bekannt gewesen, habe nach ersten Erkenntnissen jedoch keine konkrete Bedrohung dargestellt. Die Ermittlungen dazu dauerten an. Der 50 Jahre alte Täter hatte Polizeiangaben zufolge eine Lizenz für die sechs Schusswaffen, die er besaß.

Tote in Sydney zwischen 10 und 87 Jahre alt

Das Alter der Toten gibt die Polizei mit zwischen 10 und 87 Jahren an. Einer der Toten war Franzose, ein anderer Israeli. Abgesehen davon ist noch kaum etwas über die Opfer bekannt. Sie müssten noch offiziell identifiziert werden, teilte die Polizei mit.

Rettungskräfte versorgen nach dem Schusswaffenangriff in Sydney eine verletze Person
Rettungskräfte versorgen nach dem Schusswaffenangriff in Sydney eine verletze Person
© Mark Baker / AP

Staats- und Regierungschefs weltweit bekundeten ihre Anteilnahme. Kanzler Friedrich Merz sagte, der antisemitische Anschlag lasse ihn fassungslos zurück. "Meine Gedanken sind bei den Opfern und Angehörigen", schrieb der CDU-Politiker auf X. "Dies ist ein Angriff auf unsere gemeinsamen Werte. Diesem Antisemitismus müssen wir Einhalt gebieten – hier in Deutschland und weltweit."

Israel macht Australien Vorwürfe

Insbesondere in Israel war die Erschütterung nach dem Anschlag groß. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warf Australien vor, es habe nicht entschlossen gegen Antisemitismus gekämpft. Er habe Australiens Premierminister schon vor vier Monaten in einem Brief gewarnt, "dass die Politik der australischen Regierung Antisemitismus in Australien fördert und ermutigt", teilte Netanjahu mit. 

Australien und andere führende Staaten hatten in diesem Jahr unter dem Eindruck des verheerenden Gaza-Kriegs einen Staat Palästina formell anerkannt. Netanjahu warf Albanese vor, damit "Öl ins antisemitische Feuer" gegossen zu haben. Auch die jüdische Organisation Australian Jewish Association erhob auf X Vorwürfe: "Wie oft haben wir die Regierung gewarnt? Kein einziges Mal hatten wir das Gefühl, dass sie zugehört hat." 

Israels Staatspräsident Izchak Herzog forderte Australien zu mehr Schutz der jüdischen Gemeinde auf.

Australien setzt Flaggen auf halbmast

Premierminister Albanese sagte bei einer Pressekonferenz: "Wir werden an der Seite der jüdischen Gemeinschaft stehen." Fragen von Journalisten, ob sein Land genug gegen wachsenden Antisemitismus tue, wies er zurück. Australien nehme das Thema ernst, sagte Albanese. 

Die Flaggen in Australien als Zeichen der Trauer auf halbmast gesetzt. Albanese sprach von einem "dunklen Tag in der Geschichte unseres Landes". Er legte am Tatort Blumen nieder und gedachte der Opfer. Laut australischen Medien handelte es sich um den schlimmsten Fall von Schusswaffengewalt in dem Land seit rund 30 Jahren. 

Der australische Premierminister Anthony Albanese legt einen Tag nach der Schießerei Blumen am Bondi Beach in Sydney nieder
Der australische Premierminister Anthony Albanese legt einen Tag nach der Schießerei Blumen am Bondi Beach in Sydney nieder
© Dean Lewins / AAP / AP

Albanese lehnte es bei einer Pressekonferenz ab, direkt auf Äußerungen des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu reagieren, der Australien vorgeworfen hatte, es habe nicht entschlossen gegen Antisemitismus gekämpft. "Dies ist ein Moment der nationalen Einheit", sagte Albanese. "Dies ist ein Moment, in dem die Australier zusammenkommen müssen. Genau das werden wir tun", fügte er hinzu. 

Gab es Versäumnisse?

Mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden dürften nach dem Anschlag jedoch in den Fokus rücken. Bei der Veranstaltung am Bondi Beach gab es Sicherheitsvorkehrungen, so habe unter anderem die Polizei patrouilliert, hieß es. Die Polizei kündigte eine verstärkte Präsenz an Synagogen an.

Im Verlauf des Gaza-Kriegs ist Israel international immer stärker in die Kritik geraten. Parallel ist weltweit eine Welle von Antisemitismus zu beobachten, bei der Hass gegen Juden teils in Angriffe auf Menschen oder jüdische Einrichtungen wie Synagogen gipfelt.

In Australien hatte es im Dezember 2024 einen Brandanschlag auf eine Synagoge in Melbourne gegeben. Das Gotteshaus ging in Flammen auf. Albanese sprach von einer antisemitisch motivierten Schandtat, die Menschenleben in Gefahr gebracht habe.

Was ist Chanukka? 

Mit dem Lichterfest erinnern Juden an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im zweiten Jahrhundert vor Christus. Diese erfolgte, nachdem die Makkabäer den Aufstand gegen die hellenistisch-syrische Herrschaft erfolgreich beendet hatten. Der Tempel war zuvor entweiht worden, und der Sieg galt als Wiederherstellung der religiösen Freiheit. Der Überlieferung nach reichte das geweihte Öl für den Tempelleuchter auf wundersame Weise acht Tage lang, weshalb Chanukka über acht Tage gefeiert wird.

Während dieser acht Tage wird jeden Abend eine weitere Kerze am Chanukkaleuchter angezündet, sodass das Licht von Tag zu Tag zunimmt und an das fortdauernde Wunder erinnern soll. Begleitet wird das Fest von traditionellen Speisen, die in Öl gebraten sind, als Erinnerung an das wundersame Öl. Besonders verbreitet sind Latkes (Kartoffelpuffer) sowie Sufganiot, mit Marmelade gefüllte Krapfen.

Hinweis: Dieser Artikel wurde mehrfach aktualisiert.

Categories

SydneyPolizeiAustralienBondi BeachAnthony Albanese