Lehrermangel, Polizei, Bauprojekte, Klinikreform: Welche Vorhaben CDU, SPD und FDP in Sachsen-Anhalt bisher umgesetzt haben – und was noch offen ist.
157 Seiten fest eingeklemmt zwischen Deckeln in den Farben gelb, schwarz und rot – den Farben der ersten Deutschland-Koalition in Sachsen-Anhalt. Mit ihrem Koalitionsvertrag verständigten sich CDU, SPD und FDP vor etwas mehr als vier Jahren auf ihre Zusammenarbeit, hielten die Grundsätze ihrer Politik bis 2026 fest. Die gemeinsame Zeit ist fast herum. Im September steht die nächste Landtagswahl an. Was hat die Koalition erreicht – und was ist offen geblieben? Eine Auswahl.
Ziel der Koalition war es, die Polizei bis 2026 auf 7.000 Vollzugsbeamte aufzustocken. Das wird verfehlt: Nach Angaben des Innenministeriums könnte diese Marke erst Ende 2027 oder Anfang 2028 erreicht werden. Anfang 2019 lag der Personalbestand bei rund 5.800 Beamten, zuletzt waren es etwa 6.400.
Technisch wurde aufgerüstet: Smartphones und erste Bodycams wurden ausgegeben, Taser sollen folgen. Diese geben Elektroschocks aus etwas Distanz ab und machen Betroffene in der Regel handlungsunfähig. Zudem wurde ein weisungsunabhängiger Polizeibeauftragter beim Ministerpräsidenten angesiedelt, der bei Problemfällen eingeschaltet werden kann.
"Wir halten am Ziel der 103-prozentigen Unterrichtsversorgung fest", heißt es im Koalitionsvertrag. Davon ist das Land im Moment weit entfernt: Zuletzt lag Quote bei 93,6 Prozent. Wegen des bundesweiten Lehrkräftemangels wirbt Sachsen-Anhalt gezielt um Quereinsteiger.
Eine weitere Maßnahme brachte keine dauerhafte Entlastung: Lehrkräfte unterrichteten zeitweise eine Stunde pro Woche mehr im Rahmen der sogenannten Vorgriffstunde, mit finanziellem Ausgleich oder Gutschriften auf einem Arbeitszeitkonto. Das Bundesverwaltungsgericht kippte die Regelung als rechtswidrig. Ein Teil der entfallenen Stunden wird nun durch freiwillige Mehrarbeit Tausender Lehrkräfte ausgeglichen.
Schulen im ländlichen Raum konnten durch flexiblere Schulverbünde erhalten werden. Freie Schulen wurden finanziell besser ausgestattet, zudem wurde die Bezahlung von Grundschullehrkräften verbessert.
Kommunen
Die Landkreise, Städte und Gemeinden erhalten mehr Geld. Über den Finanzausgleich fließen inzwischen mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr an die Kommunen.
Zudem stehen 2026 zusätzliche Mittel für Investitionen zur Verfügung: Aus dem Sondervermögen des Bundes erhält Sachsen-Anhalt rund 2,61 Milliarden Euro, etwa 60 Prozent davon gehen an die Kommunen.
"Mit der Weiterentwicklung des Finanzausgleichsgesetzes sowie dem vergleichsweise hohen Anteil vom Sondervermögen Infrastruktur für die Kommunen hat die Koalition die Städte und Gemeinden im Land gestärkt", sagt CDU-Fraktionschef Guido Heuer.
Wirtschaft
Auch wenn die Ansiedlung des US-Chipherstellers Intel in Magdeburg nicht gelang, hat die Landesregierung einige Investitionen eng begleitet, etwa Daimler Truck in Halberstadt, Avnet in Bernburg sowie das Großforschungszentrum CTC im Süden des Landes.
Zudem wurde das Vergabegesetz überarbeitet, wodurch Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen weniger bürokratische Hürden haben. Schülerinnen und Schüler erhalten außerdem Prämien bei Praktika im Handwerk oder in der Landwirtschaft.
Selbstbedienungsläden dürfen nun rund um die Uhr öffnen, vor allem im ländlichen Raum. Bezahlt wird bargeldlos an einer Kasse, an der man die Produkte selbst scannt. Möglich wurde dies durch eine Änderung des Ladenöffnungszeitengesetzes.
In der Land- und Forstwirtschaft hat Minister Sven Schulze (CDU) nach eigenen Angaben einen engeren Austausch mit den Verbänden etabliert als seine Vorgängerin Claudia Dalbert (Grüne). Öffentliche Konflikte seien seltener geworden.
Gesundheit
Viele Kliniken sind finanziell unter Druck. Eine Reform der Krankenhauslandschaft ist angeschoben. Sie soll Spezialisierungen ausbauen und die Basisversorgung stärken. Entscheidungen fallen jedoch erst im nächsten Jahr. Während insbesondere die CDU-Fraktion den Zeitplan kritisiert, verweist Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) darauf, dass es aufgrund der Bundespolitik nicht schneller ging.
Um dem Mangel an Zahnärzten entgegenzuwirken, wurden die Ausbildungsmöglichkeiten erweitert, unter anderem über zusätzliche Studienplätze in Ungarn. In mehreren Gesundheitsberufen entfällt zudem das Schulgeld. Verbesserungen gab es auch im Rettungsdienst, wo Modellprojekte wie der Telenotarzt erprobt wurden und nun verstetigt werden sollen.
Energie
Bürger und Kommunen sollen finanziell vom Ausbau erneuerbarer Energien profitieren. Betreiber von Windkraft- und Photovoltaikanlagen müssen die jeweilige Kommune beteiligen, fällig wird die Abgabe bei neuen oder modernisierten Anlagen (Repowering).
Zudem hat der Landtag eine Änderung des Waldgesetzes beschlossen, die den Bau von Windkraftanlagen in Wäldern grundsätzlich ermöglicht. Auch Projekte zur Nutzung von Wasserstoff wurden vorangetrieben.
Finanzen
Das Corona-Sondervermögen wurde eingerichtet, um die Folgen der Pandemie abzufedern und Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Es umfasst etwa 60 Maßnahmen. Volumen: Knapp zwei Milliarden Euro, ursprünglich waren einst 1,5 Milliarden Euro im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Damit wurde an Schulen und Hochschulen etwa neue Technik angeschafft und in die Digitalisierung der Landesverwaltung und in Krankenhäuser investiert.
"Diese Koalition hat geliefert: Wir haben den Rechtsstaat gestärkt, Bürokratie abgebaut und den Staat digitaler, schneller und bürgernaher gemacht", sagt FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack.
Zudem wurden mehrere Bauprojekte vorangetrieben: Vor den Toren Magdeburgs entsteht ein neues Gebäude für das Landeskriminalamt, das Gefängnis in Volkstedt (Landkreis Mansfeld-Südharz) wird erweitert, direkt daneben soll die erste Abschiebeeinrichtung des Landes entstehen. In Weißenfels ist eine neue Justizvollzugsanstalt geplant, auch an den Unikliniken wird investiert.
Der Schuldenberg des Landes wächst: Zum Jahresabschluss 2024 lag er bei 22,7 Milliarden Euro, in diesem Jahr dürften weitere mehrere Hundert Millionen Euro hinzukommen.
Justiz
"Die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz werden wir unverzüglich angehen und spätestens bis zum Jahr 2025 vollenden", heißt es im Koalitionsvertrag. Das hat nicht geklappt, Sachsen-Anhalt wird die Frist nicht einhalten. Die E-Akte soll vor allem die Arbeitsabläufe in der Justiz effektiver gestalten.
Der Opferhilfefonds des Landes Sachsen-Anhalt wurde auf 500.000 Euro aufgestockt. Unterstützt wurden damit unter anderem Betroffene und Hinterbliebene nach dem Anschlag in Magdeburg sowie Opfer des Anschlags von Halle im Jahr 2019.
Was noch fehlt
Die CDU drängt darauf, den Umbau der Landesverwaltung noch in dieser Legislaturperiode voranzubringen. "In diesem Zusammenhang ist es bedauerlich, dass die Landesregierung die von uns geforderte Aufgabenkritik bislang nicht durchgeführt hat", sagt Fraktionschef Heuer. Ein Überblick über abzuschaffende oder übertragbare Aufgaben sei Grundlage für eine umfassende Verwaltungsreform.
Zudem ist die Einführung eines Normenkontrollrats geplant, der den Bürokratieabbau unterstützen soll. Gesetze und Verordnungen sollen von Anfang an auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden; die Details ber#t noch der Landtag.
Auch bei der Gleichstellung gibt es offene Punkte. Die Weiterentwicklung des Frauenfördergesetzes zu einem modernen Gleichstellungsgesetz ist zwar im Koalitionsvertrag vorgesehen, ob sie noch gelingt, ist offen. "Dieses Gesetzgebungsvorhaben wird derzeit auf Arbeitsebene bearbeitet", sagt ein Sprecher des Sozialministeriums. "Derzeit lässt sich noch keine Aussage zum weiteren Zeitplan treffen."
Das kritisiert die Opposition
Die AfD-Fraktion würdigt die Praktikumsprämie für Schülerinnen und Schüler in Handwerksbetrieben, den digitalen Pflegeplatzfinder als Orientierungshilfe für Pflegebedürftige und Angehörige sowie die Fortsetzung der Mehrkindregelung bei Kita-Beiträgen zur Entlastung von Familien. "Leider läuft im Land aktuell so viel schief, dass es leichter fällt, die Dinge aufzuzählen, die nicht funktionieren", sagt Co-Fraktionschef Ulrich Siegmund. Er kritisiert eine fehlende Krankenhausplanung, zu geringen Bürokratieabbau und Verzögerungen bei Großprojekten wie der A14-Nordverlängerung.
Linken-Fraktionsvorsitzende Eva von Angern sagt, Kitas und Schulen ächzten unter der verfehlten Politik der Koalition. Die Landesregierung habe Probleme "einfach ausgesessen", zudem seien die Kommunen chronisch pleite. "Die Arbeit der Koalition ist maßgeblich geprägt von Stillstand und Ideenlosigkeit."
Die Grünen erkennen an, dass die Kommunen vom Land finanziell besser ausgestattet wurden und es nun etwa eine Zentralstelle gegen Hasskriminalität gibt. Zugleich bemängeln sie strategische Fehlentscheidungen: Es fehlten Investitionen in Schulen, beim Klimaschutz werde gezögert, auch bei der Gleichstellung gehe es nicht voran, sagt Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. "Sachsen-Anhalt braucht eine Regierung, die nicht nur verwaltet, sondern Richtung gibt."
