Ringen um Frieden: An welchen Punkten die Ukraine-Verhandlungen scheitern könnten

Published 3 hours ago
Source: stern.de
Ringen um Frieden: An welchen Punkten die Ukraine-Verhandlungen scheitern könnten

Trotz großer Fortschritte sind entscheidende Punkte in den Ukraine-Verhandlungen nicht geklärt. Über allem steht die wichtigste Frage: Wie reagiert Russland?

Das Ringen um einen Frieden in der Ukraine ist zäh. Zwei Tage haben die USA, die Ukraine und die Europäer in Berlin erneut verhandelt und offenbar bedeutende Fortschritte erzielt. Wie belastbar die Ergebnisse sind, ist allerdings schwer zu beantworten, weil sie nur grob bekannt beziehungsweise Detailfragen noch zu klären sind. Über das aktuelle Zwischenergebnis werden die Amerikaner erneut mit den Russen sprechen. Wann und in welcher Form das stattfinden wird, ist offen.  

Das ist der Stand der Verhandlungen und auf diese drei Fragen kommt es an:

Die Frage der Sicherheitsgarantien für die Ukraine

Das wichtigste Ergebnis der Berliner Verhandlungen: Die europäischen Partner haben der Ukraine für den Fall eines Waffenstillstands eine multinationale Schutztruppe angeboten. Sie soll von Deutschland und anderen Nationen geführt und von den USA unterstützt werden. "Diese Truppe wird bei der Regeneration der Streitkräfte der Ukraine, der Sicherung des Luftraums der Ukraine und der Gewährleistung sichererer Meere helfen, auch durch Operationen innerhalb der Ukraine", hieß es in einer am Montagabend veröffentlichten gemeinsamen Erklärung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Finnland, Norwegen, Schweden, den Niederlanden sowie den Spitzen der EU-Institutionen. 

Eine solche Schutztruppe zur Sicherung eines Friedens ist notwendig, weil eine Forderung der Ukraine definitiv vom Tisch ist: Die Mitgliedschaft in der Nato, die die robusteste Sicherheitsgarantie wäre. Das Problem: Russland lehnt eine Schutztruppe bisher kategorisch ab.

Darüber hinaus ist es nicht geklärt, welche Ausstattung und Befugnisse eine multinationale Truppe hätte. Wie wären die Sicherheitsgarantien in dem Fall konkret ausgestaltet? Würden sie den Sicherheitsgarantien des Artikels fünf entsprechen, der im Falle einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine gelten würde? Der sieht vor, dass ein Angriff auf ein Nato-Mitglied als ein Angriff auf das gesamte Militärbündnis angesehen wird – einschließlich einer militärischen Reaktion.

Die Frage der territorialen Zugeständnisse

Was passiert mit dem Donbas und den anderen besetzten Gebieten? Tatsache ist, dass Russland ein größeres Gebiet beansprucht, als es derzeit besetzt hat. Hinzu kommt, dass Russland die beanspruchten Territorien zu Staatsgebiet erklärt hat, und dass darin der Kern der ukrainischen Industrie liegt. Zieht sich die ukrainische Armee aus den noch gehaltenen Landesteilen zurück und überlässt sie den Russen? Wird der Donbas mit den Oblasten Luhansk und Donezk entmilitarisiert und in eine gemeinsame Wirtschaftszone umgewandelt? Ziehen sich also auch die Russen zurück? Welchen völkerrechtlichen Status erhalten diese Gebiete? Die Ukraine wird es niemals hinnehmen, dass sie offiziell von Russland annektiert wird. Und was passiert mit der Krim? Ist die Ukraine bereit, das Staatsgebiet offiziell an Russland abzutreten, ohne Aussicht auf eine Revision?

Diese Fragen sind offenbar weitgehend ungeklärt. Es existiert zwar ein grundlegender Fahrplan, aber der Teufel steckt im Detail. 

Die Frage nach Russlands Reaktion

Die entscheidende Frage: Wie verhält sich Russland? Die Crux an der Verhandlungssituation ist, dass Russland in Berlin nicht mit am Tisch saß. Russland ist nur indirekt dabei, der Kontakt läuft über die USA. Irgendwann müssen die Amerikaner das Verhandlungsergebnis, das sie mit der Ukraine und den Europäern erzielt haben, in Moskau präsentieren. Bislang war es so, dass die USA unter ihrem russlandfreundlichen Sondergesandten Steve Witkoff russischen Forderungen, die für die Europäer wie für die Ukraine nicht annehmbar waren, entgegenkamen. Das ist ein wiederkehrendes Problem in den Verhandlungen. Die Haltung Europas formulierte der Kommandeur der schwedischen Streitkräfte, Generalleutnant Michael Claesson: "Ein schlechter Frieden ist eine Bedrohung für uns alle."

Sicher ist: Russland ist bisher keinen Millimeter von seinen Maximalforderungen abgerückt (kompletter Abzug der ukrainischen Truppen aus besetzten Gebieten, Neutralität der Ukraine, komplette Abtretung der besetzten Gebiete im Osten und internationale Anerkennung, Ende der Wirtschaftssanktionen, keine Waffenlieferungen, Entnazifizierung der Ukraine).

Die Verhandlungen bleiben kompliziert. Zudem stellt sich die Frage: Ist Russland überhaupt an einem ernsthaften Frieden interessiert oder spielt es auf Zeit. Ausgang offen.

Quellen: DPA, NDR Info, "Tagesschau", "Deutschlandfunk", "Bild"

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