Meinung: Die Gastrosteuer sinkt und bei McDonald's und Co. knallen die Korken

Published 1 hour ago
Source: stern.de
Meinung: Die Gastrosteuer sinkt und bei McDonald's und Co. knallen die Korken

Der Bundesrat hat die Senkung der Gastrosteuer beschlossen. Was nach Rabatt auf Schnitzel, Pizza und Pasta klingt, ist in Wahrheit: richtig teurer Irrsinn.

Fünf Tage vor Heiligabend gibt es ein frühes Weihnachtsgeschenk. Und zwar an eine Branche, die zuletzt ganz brav und ganz arm dran war: die deutsche Gastronomie. Zum 1. Januar 2026 soll die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie dauerhaft von 19 auf 7 Prozent reduziert werden, so steht es im Koalitionsvertrag. Und so hat es der Bundesrat am Freitagvormittag abgesegnet.

Wer jetzt denkt: "Ach toll, Essengehen wird günstiger", liegt falsch. Die Gastro-Steuersenkung ist ein Milliardengeschenk für eine Branche, der es genauso schlecht geht wie allen anderen. Sie jammert nur lauter und lobbyiert besser.

Deutsche Gastronomie hat stabile Umsätze

Ja, die Gastronomie hat unter Corona besonders gelitten. Aber das Ende der Pandemie war vor fast vier Jahren. Seitdem sind die Umsätze der Branche wieder gestiegen und haben ein stabiles Niveau erreicht. Trotzdem wird der Lobbyverband des deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes Dehoga nicht müde zu betonen, wie schwierig die Lage sei.

Die Umsatzsteuer anzufassen, um einer Branche wieder auf die Beine zu helfen, ist grundsätzlich kein schlechtes Mittel. 2020 war es richtig, dass die CDU-geführte Regierung die Gastrosteuer reduzierte. Richtig war es auch, dass die Ampel diese Reduzierung Ende 2023 auslaufen ließ. Sie wieder einzuführen – diesmal dauerhaft – ist falsch und sozial problematisch.

Besonders käme die Vergünstigung nämlich wohlhabenden Menschen zugute. Sie können sich den Luxus, auswärts zu essen, leisten. Und genauso potenziell steigende Schnitzelpreise, die ohne reduzierte Gastrosteuer früher kommen könnten.

Bei einem geschätzten Wirtschaftswachstum von nur 0,3 Prozent in diesem und 1,1 Prozent im nächsten Jahr scheint die Gesetzesänderung verfehlt und irritierend. Eine solche Maßnahme in der aktuellen wirtschaftlichen Lage durchzusetzen, hat nur einen sinnvollen Effekt: Sie führt vor Augen, wie unsozial vor allem CDU und CSU sein können, die die Reduzierung vorangetrieben haben.

Sieben Prozent Gastrosteuer = Haushaltsloch von vier Milliarden Euro

Sparsam scheinen die beiden Parteien auch nicht zu sein. Die Senkung der Gastrosteuer ist teuer. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat berechnet, was das Steuergeschenk kostet: Durch die Reduzierung der Mehrwertsteuer entgehen dem deutschen Staat demnach jährlich rund vier Milliarden Euro – etwa doppelt so viel, wie die Ampel vergangenes Jahr in die digitale Infrastruktur investiert hat oder ein Vierfaches der humanitären Hilfen ins Ausland.

Ein Detail nimmt der Erzählung von der familiengeführten Gastwirtschaft, die man vor dem Ruin retten muss, zusätzlich Pathos: Von einer reduzierten Umsatzsteuer für die Gastronomie profitieren am allermeisten die großen Fast-Food-Konzerne.

Der Verein Foodwatch hat berechnet, dass allein McDonald's rund 140 Millionen Euro weniger Steuern im Jahr zahlen müsse. Die gesamte Fast-Food-Branche in Deutschland werde um etwa 500 Millionen Euro pro Jahr entlastet.

Merz und Söder im Wahlkampf bei McDonald's

Bei diesen Zahlen bekommen einige Momente des Bundestagswahlkampfs der Union einen komischen Beigeschmack. Sowohl Friedrich Merz als auch Markus Söder besuchten McDonald's-Filialen. Söder lobte den Konzern als "sehr großen Arbeitgeber" und versprach: "Wir sind an der Seite all unserer Gastronomiebetriebe." McDonald's war außerdem Sponsor des CDU-Parteitages und unterstützte den Bau einer neuen Geschäftsstelle der Mittelstandsvereinigung der Partei.

Auch zur Gastro-Lobby scheint die Union guten Kontakt zu pflegen. Angela Inselkammer, Dehoga-Vizepräsidentin, sprach sich auf der CDU-Website "Stimmen für Merz" für dessen Kanzlerschaft aus. Ihr Grund: "Weil die Union der Gastro den Rücken stärkt."

Und wie die Union das tut: Zusätzlich enthält der Gesetzesentwurf weitere wichtige Punkte für die Branche, zum Beispiel eine wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit. Zudem sind der Abbau von Berichts- und Dokumentationspflichten sowie die Reduzierung der Betriebsbeauftragten vorgesehen. Der Dehoga feiert: "25 Prozent weniger Bürokratiekosten in vier Jahren!"

Auch bei McDonald's und Co. dürften die Korken knallen. Ob man bei der guten Laune auch den Preis für Schnitzel oder Big Mac um zwölf Prozent reduziert? Unwahrscheinlich.

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