Mit großen Treibjagden werden die Wildbestände in den Wäldern gesenkt. Die Zunahme der Wölfe verändert das Verhalten der gejagten Tiere. Warum sich Dackel besonders für die Suche eignen.
Seitdem der Wolf sich mehr und mehr in Niedersachsen ausbreitet, ist die Arbeit für Jäger von Wild nicht leichter geworden. "Seit etwa zehn bis 15 Jahren ist der Wolf da, das macht die Jagd anders", erzählt Jobst Böttger von den Landesforsten bei der letzten Drückjagd des Jahres mit mehr als 100 Teilnehmern im Forstamt Harsefeld bei Stade. Bis Ende Januar darf noch gejagt werden, danach ist Schonzeit.
Die Hundeführer treiben das Wild in die Nähe der Hochsitze mit den Schützen, die Hunde hetzen fiepend durch das Gehölz. Auch kleinere Hunde wie Dackel kommen zum Einsatz, da sich Rehe, Wildschweine und Hasen vor Wolfsrudeln zunehmend im Dickicht verbergen. "Der Wolf hat ihr Verhalten im Wald verändert", sagt Melanie Offermanns von der Revierförsterei Rüstje, die das Treiben leitet, und immer wieder auf niedergedrückte Plätzchen verweist.
Eine solche Verhaltensänderung bei den Wildarten sei logisch, sagt Stephan Wunderlich vom Deutschen Jagdverband (DJV). So würden sich Rehe eher verstecken, Hirsche vermehrt in Rudeln zusammenrotten und offene Flächen suchen, um den Wolf zu erkennen. Wildschweine seien wehrhafter und aggressiver geworden.
Forstliche Steuerung des Wildbestands
Offermanns hat als Revierleiterin den behördlichen Dreijahresplan im Blick, damit der Wildbestand gesund bleibt. Er sieht vor, dass in dem Zeitraum etwa 100 Tiere in dem Naturschutzgebiet erlegt werden.
Zwar würden zur Durchmischung des Waldes gezielt Bäume wie Esskastanien und Schwarznüsse gepflanzt und geschützt, aber nicht alle bei Wild beliebten Edelhölzer lassen sich einzäunen.
Anderer Blickwinkel auf die Jagd
"Hopp, hopp, hoha", schallt es laut von allen Seiten durch das Dickicht, immer wieder tauchen orange gekleidete Treiber auf. So können die Schützen auf den Hochsitzen schnell erkennen, ob die Bewegung von Menschen kommt.
"Man bekommt einen anderen Blickwinkel und sieht, wie notwendig die Jagd ist, um den Wald zu erhalten", meint Tina Steenwarber, die sonst als Sachbearbeiterin im Forstamt arbeitet. Fast 30 Jahre habe sie sich vegetarisch ernährt, das Wild isst die 49-Jährige inzwischen gern: "Ware aus Massentierhaltung kommt für mich nicht infrage."
Ein Ausbildungskurs der Jagdschule Thomfohrde nimmt mit 25 Schülern teil, neun davon weiblich. Hilke Lührs ist mit ihrem Mann Henning dabei. "Vielleicht wird das später mal ein gemeinsames Hobby", sagt die 34-Jährige. Der abendliche Kurs findet mehrmals die Woche statt, dauert bis April und kostet 3.000 Euro; am Ende steht eine Prüfung zum "grünen Abitur".
Viele Jäger – wachsender Frauenanteil
Niedersachsen weist bundesweit eine hohe Jägerdichte auf: Ein Jäger kommt auf 116 Einwohner, heißt es vom DJV. Rund 70.000 Menschen gehen im Land der Jagd nach, bundesweit sind es 460.771 Jagdscheininhaber. Die Anzahl der Jagdschülerinnen steigt seit Jahren und lag 2021 bei 28 Prozent. "Das ist für eine reine Männerdomäne ein ganz guter Mix", sagt Wunderlich. Der Anteil der Frauen auf die Pirsch betrug 2022 elf Prozent.
Ein teures Hobby, zumal entsprechende Kleidung und ein Jagdgewehr finanziert werden müssen. Immer mehr Frauen interessieren sich für die Tradition. "Es ist überhaupt nicht exotisch, dass Frauen zur Jagd gehen, es wird immer normaler", bestätigt Thorsten Poppe, Dezernent im Forstamt Harsefeld südlich von Hamburg. Das Schießen und Töten sei nur ein ganz kleiner Moment, das Erleben der Natur das Besondere.
Proben als Frühwarnsystem für Seuchen
20 Rehe und zwei Hasen, bilanziert Melanie Offermanns an diesem Dezembertag. Sie werden nacheinander am Gestänge ausgenommen, dazu stichprobenartige Blutproben bei den Rehen genommen. Sie dienen alsFrühwarnsystem für die Blauzungenkrankheit. Für Menschen ist der Erreger ungefährlich. Da keine Wildschweine erlegt wurden, sind auch keine Untersuchungen auf Afrikanische Schweinepest nötig.
Erst, wenn die Förster und Ärzte bei der Fleischbeschaudie inneren Organe als gesund eingestuft haben, wird das Wildverkauft. Den Forstanwärtern wird dabei das hygienische Vorgehen erklärt. Erst, wenn die Fanfaren ertönen und alles eingesammelt ist, atmet Melanie Offermanns auf. Einen anderen Beruf kann sie sich aber nicht vorstellen: "Das ist Passion."
