Im Mai sorgt eine Razzia gegen mutmaßliche Rechtsterroristen für Schlagzeilen – auch wegen des Alters der Verdächtigen. Ein Jugendlicher aus MV soll die Gruppe konzipiert haben.
In einer mutmaßlich rechtsextremen Terrorgruppe haben Mitglieder aus Mecklenburg-Vorpommern nach Einschätzung von Ermittlern eine wichtige Rolle gespielt. Zwei der drei angeklagten mutmaßlichen Rädelsführer stammen laut Bundesanwaltschaft aus dem Nordosten, davon einer aus dem Landkreis Rostock und einer aus Wismar. Der bereits im Mai im Landkreis Rostock festgenommene Jugendliche soll demnach Erfinder der Gruppe gewesen sein, die sich "Letzte Verteidigungswelle" nennt. Zuvor hatten Medien berichtet.
Die Bundesanwaltschaft wirft sieben Angeklagten vor, Mitglieder der jungen Terrorgruppe gewesen zu sein, drei davon Rädelsführer. Einem Achten legen die Ermittler die Unterstützung der Vereinigung zur Last. Manchen wird außerdem versuchter Mord, Verabredung zum Mord, besonders schwere Brandstiftung, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen, anderen die Beihilfe zu Taten. Die Anklage wurde vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Hamburg erhoben. Das Gericht muss entscheiden, ob und wann es einen Prozess ansetzt.
Die Gruppe soll sich über Chatgruppen vernetzt haben, wobei die mutmaßlichen Rädelsführer als Administratoren aufgetreten seien.
Festnahmen und Durchsuchungen im Mai
Die Bundesanwaltschaft war im Mai mit Festnahmen und Durchsuchungen gegen die Gruppe vorgegangen. Im Landkreis Rostock, Wismar, Brandenburg und Hessen wurden fünf Verdächtige festgenommen. Die Polizei durchsuchte dort ebenso wie in Sachsen und Thüringen 13 Objekte. Drei weitere Beschuldigte saßen damals schon in Untersuchungshaft.
Drei brutale Anschläge und Anschlagspläne rechnet die Bundesanwaltschaft der Gruppe zu. Es geht um einen Brandanschlag auf ein Kulturhaus im brandenburgischen Altdöbern, einen versuchten, aber erfolglosen Anschlag auf ein bewohntes Asylbewerberheim im thüringischen Schmölln und Anschlagspläne für eine Asylunterkunft im brandenburgischen Senftenberg.
Laut Anklage soll der Beschuldigte aus dem Landkreis Rostock in die Planung und Organisation des Brandanschlags in Altdöbern involviert gewesen sein. Ihm wie auch dem Beschuldigen aus Wismar und zwei anderen Angeklagten wird zudem vorgeworfen, jeweils einmal in voneinander getrennten Fällen Menschen angegriffen zu haben, die sie für pädophil hielten. Dies sei in der Regel gemeinsam mit anderen Anhängern der Gruppe geschehen. Die Opfer seien geschlagen und/oder getreten worden und hätten nicht unerhebliche Verletzungen davongetragen. Der Angeklagte aus Wismar habe einem Opfer auch dessen Geld und Mobiltelefon abgenommen.
Beschuldigte waren teils minderjährig
Die "Letzte Verteidigungswelle" versteht sich laut Bundesanwaltschaft als letzte Instanz zur Verteidigung der "Deutschen Nation". Ihr Ziel sei es gewesen, durch Gewalttaten vor allem gegen Migranten und politische Gegner einen Zusammenbruch des demokratischen Systems der Bundesrepublik herbeizuführen. Dazu zählten insbesondere Brand- und Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberheime und linke Einrichtungen.
Zum Zeitpunkt der Razzia im Mai waren die Beschuldigten zwischen 14 und 21 Jahre alt. Aufgrund ihres Alters mussten einige von ihnen mit ihren Eltern zur Haftvorführung vor dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe erscheinen. Mit einer Ausnahme sitzen alle Beschuldigten, einschließlich der beiden aus dem Landkreis Rostock und Wismar weiter in Untersuchungshaft. Ein Haftbefehl wurde im Juli außer Vollzug gesetzt, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte.
Strafverfahren gegen Jugendliche
Die gesetzliche Strafmündigkeit liegt bei 14 Jahren. Auch danach sind Jugendliche nicht per se strafbar. Das Jugendgerichtsgesetz verlangt zusätzlich eine "Verantwortungsreife". Die Täter müssen also reif genug sein, um das Unrecht ihrer Taten zu erkennen und danach handeln zu können. Davon geht die Bundesanwaltschaft im Falle der minderjährigen Beschuldigten aus. Die Über-18-Jährigen gelten strafrechtlich als Heranwachsende.
Die Strafen, die ein Jugendgericht verhängen kann, umfassen sogenannte Erziehungsmaßregeln wie die Teilnahme an sozialen Trainingskursen beziehungsweise Anti-Aggressions-Trainings oder sogenannte Zuchtmittel wie die Reparatur oder das Ersetzen eines beschädigten Gegenstandes. Es kann aber auch eine Jugendstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu höchstens zehn Jahren Haft verhängt werden. Bei Heranwachsenden, die nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden, können es bis zu 15 Jahre sein.
