Der Landtag bekommt ein Gremium zur Kontrolle des Verfassungsschutzes. Die Mitglieder sollen gewählt werden. SPD, Grüne und CDU sprechen von wehrhafter Demokratie, die AfD sieht sich außen vor.
Die parlamentarische Kontrolle des niedersächsischen Verfassungsschutzes wird auf neue Füße gestellt. Der Landtag hat mit breiter Mehrheit die Einführung eines parlamentarischen Kontrollgremiums beschlossen. Damit soll der bisherige Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes abgelöst werden. Getragen wurde das Vorhaben von den Regierungsfraktionen SPD und Grüne sowie der größten Oppositionsfraktion CDU.
In der Schlussabstimmung stimmten 125 Abgeordnete mit Ja, 18 mit Nein, Enthaltungen gab es nicht. Für die verfassungsändernde Regelung war eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, diese wurde deutlich erreicht.
Reaktion auf veränderte Sicherheitslage
Zur Begründung verweisen die Fraktionen unter anderem auf eine veränderte Sicherheitslage. Diese sei geprägt von rechtsextremen Bedrohungen im Inneren sowie von Gefahren durch Russland und andere Staaten von außen, sagte der SPD-Fraktionsmanager Wiard Siebels. "Dieser Bedrohung müssen wir aktiv begegnen", sagte sein Parteikollege Sebastian Zinke.
Mitglieder müssen gewählt werden
Ein zentraler Unterschied zum bisherigen Ausschuss betrifft die Zusammensetzung des Gremiums. Die Mitglieder sollen nicht mehr einfach von den Fraktionen entsandt, sondern aus der Mitte des Landtags gewählt werden. Die Opposition müsse bei der Besetzung berücksichtigt werden, heißt es im Gesetz.
Wird ein vorgeschlagener Abgeordneter nicht gewählt, kann die Fraktion einen neuen Vorschlag unterbreiten. Die Hürden für eine Mitarbeit würden bewusst höher gelegt, sagte Siebels. Mitglieder des Gremiums erhielten besonders sensible Informationen, dafür brauche es das Vertrauen des Parlaments, betonte Grünen-Fraktionsmanager Volker Bajus.
AfD: "Ganz schlechtes Signal"
Kritik kommt von der AfD: Fraktionschef Klaus Wichmann hält das neue Modell für "fatal" und ein "ganz schlechtes Signal". Ziel sei es, "eine Fraktion rauszuhalten" – die AfD. Er betonte, dass es im bisherigen Ausschuss keine Vorwürfe des Geheimnisverrats gegeben habe.
Derzeit ist die AfD mit Wichmann im bisherigen Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vertreten. Der Ausschuss unter dem Vorsitz des SPD-Abgeordneten Gerd Hujahn hat zehn Mitglieder: vier von der SPD, drei von der CDU, zwei von den Grünen und eines von der AfD.
Wichmann zweifelt zudem daran, dass die Regierungsfraktionen den Verfassungsschutz wirksam kontrollieren könnten. Dieser sei "eine Regierungsbehörde", kritische Fragen kämen nur aus der Opposition.
Wer drin sitzt, darüber entscheidet die Mehrheit
SPD, Grüne und CDU schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Landtag gilt es daher als unwahrscheinlich, dass AfD-Abgeordnete in das neue Gremium gewählt werden. Die Initiatoren weisen den Vorwurf einer gezielten Ausgrenzung zurück. Ziel sei nicht, die Opposition auszuschließen, sondern sie angemessen zu berücksichtigen, sagte Siebels. Bajus betonte, das Gesetz werde nicht wegen der AfD vorgelegt, sondern wegen der veränderten Sicherheitslage.
CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner sagte, es gehe nicht darum, eine bestimmte Partei auszuschließen. Wer jedoch vom Verfassungsschutz beobachtet werde, könne aus seiner Sicht nicht zugleich dessen Kontrolle übernehmen. Carina Hermann von der CDU erklärte: "Sicherheit und Freiheit gehören zusammen – deshalb verbinden wir handlungsfähige Sicherheitsbehörden mit einer starken parlamentarischen Aufsicht." Dies sei ein klares Bekenntnis zu einer wehrhaften und rechtsstaatlich verankerten Demokratie.
AfD unter Beobachtung
Der niedersächsische Verfassungsschutz beobachtet den Landesverband der AfD seit 2022 als Verdachtsobjekt. Die Einstufung wurde im vergangenen Jahr verlängert. Bis Mai kommenden Jahres muss die Behörde entscheiden, ob ausreichend Anhaltspunkte für eine Einstufung als gesichert rechtsextremistisch vorliegen – andernfalls wäre die Beobachtung einzustellen.
Ein parlamentarisches Kontrollgremium gibt es bereits im Bund und in den meisten Ländern. Im Bundestag sind Abgeordnete von AfD und Linke nicht vertreten, da sie bei der Wahl nicht die erforderlichen Mehrheiten erhielten. Drei der insgesamt neun Sitze sind unbesetzt, die Opposition ist lediglich durch ein Mitglied der Grünen vertreten.
Das neue niedersächsische Kontrollgremium soll in der Verfassung verankert werden und im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen.
