Nach einer tödlichen Messerattacke auf einen Gerichtsvollzieher wurde der Ruf nach mehr Sicherheit laut. Wie werden Auszubildende auf mögliche Gefahren vorbereitet?
Der gewaltsame Tod eines Gerichtsvollziehers im Saarland hat die Diskussion um Sicherheit in diesem Beruf neu entfacht. Ein 58 Jahre alter Gerichtsvollzieher wurde vor fast einem Monat bei einer Zwangsräumung in Bexbach erstochen. Der Deutsche Gerichtsvollzieher Bund (DGVB) erwartet, dass die Ausbildung an neue Bedingungen angepasst wird: angefangen von einem einheitlichen Bachelor-Studium bis zu einem professionellen Deeskalations-Training.
Im Saarland ist Johannes Schackmann-Weller aktuell einer von zwei Beamten des mittleren Justiz-Dienstes, die seit Juli die 20-monatige Ausbildung zum Gerichtsvollzieher absolvieren. Dabei wechseln sich mehrmonatige Blöcke im Ausbildungszentrum der Justiz in Monschau mit Praxis-Aufenthalten in den Amtsgerichtsbezirken ab. Dort sind die Anwärter auch mit Gerichtsvollziehern im Außendienst unterwegs.
Theorie, Psychologie und Selbstverteidigung
Doch auch in Monschau, wo Gerichtsvollzieher aus sechs Bundesländern ausgebildet werden, gehe es nicht nur um "hochtheoretische Fächer" wie Insolvenzrecht und Zwangsvollstreckung, um das Bürgerliche Gesetzbuch oder die Zivilprozessordnung. "Auch deeskalierende Gesprächsführung, Eigensicherung und der Umgang mit Personen aus verschiedenen Kulturkreisen oder Reichsbürgern stehen auf dem Stundenplan", berichtet der 30-Jährige. Neben Selbstverteidigungsübungen unter der Leitung eines Kampfsportlers lernen die künftigen Gerichtsvollzieher etwa, wie man das eigene Büro einrichte: etwa so, dass man sich einen Fluchtweg freihalte und nicht einen schweren Briefbeschwerer auf seinem Schreibtisch dem Besucher präsentiere.
Die Justizausbildungsstätte in Monschau sei für die Ausbildung "super ausgestattet", meint Johannes Schackmann-Weller. In einem nachgebauten Apartment können die Teilnehmer ganz praktisch üben, wie man Wohnungen betritt und wo potenzielle Gefahrenquellen sein können. "Da habe ich mich schon mal gefragt: Sind wir hier noch bei einer Gerichtsvollzieher-Ausbildung?", gibt der Justizfachwirt zu.
DGVB: "Ausbildung nicht mehr zeitgemäß"
Nach den ersten fünf Monaten fällt sein erstes Fazit auch mit Blick auf eine Sicherheits-Schulung jedoch positiv aus: "Dieser Aspekt hat zwar nicht das größte Gewicht in der Ausbildung, aber das Thema ist auf jeden Fall präsent und taucht immer wieder auf", sagt der 30-Jährige aus Dillingen. Außerdem gingen die Dozenten auf alle Nachfragen ausführlich ein.
Und schließlich: Bis zur Prüfung Ende April 2027 am Oberlandesgericht in Saarbrücken bliebe noch viel Zeit für Vertiefungen in Theorie und Praxis. "Von anderen Anwärtern, die weiter sind, weiß ich, dass im Laufe der Ausbildung noch viel mehr Wert auf Eigensicherung gelegt wird."
Dem Bundesvorsitzenden der DBGV, Matthias Boek, ist das jedoch noch nicht genug. "Das derzeitige Fortbildungssystem ist nicht mehr zeitgemäß", sagte er. Deeskalations-Training finde meist nur "rudimentär" statt. Nach Ansicht des Bundesverbandes mache die Gewalttat klar, dass nun "entschlossenes politisches Handeln" notwendig sei.
20 Monate Ausbildung
Aktuell gebe es nur in Baden-Württemberg einen Studiengang mit Bachelor-Abschluss an der Hochschule für Recht in Schwetzingen. Diese Ausbildung müsse seiner Ansicht nach bundesweit einheitlich verpflichtend sein. "In 20 Monaten können von der Qualität und vom Umfang her nicht alle Kenntnisse vermittelt werden, die heute erforderlich sind. Wir sehen das sehr kritisch."
Der Landesvorsitzende des DGVB, Gerd Luckas, kannte den 58-jährigen Kollegen, der im Dienst in Saarpfalz-Kreis erstochen wurde, schon lange. Vor mehr als 20 Jahren habe er gemeinsam mit ihm die Ausbildung absolviert. "Seit damals hat sich daran nicht viel geändert. Aber es sind immer neue Aufgabengebiete hinzugekommen", bemängelt er.
Nach Ansicht von Matthias Boek wäre zusätzlich zu einer professionellen Ausbildung mit Hochschul-Dozenten zukünftig auch eine realitätsnahe technische Sicherheitsausstattung mit Schutzwesten und Pfefferspray erforderlich. Auch ein Notrufsystem sei wichtig, bei dem die Gerichtsvollzieher in kritischen Situationen mit einem stillen Alarm Hilfe anfordern könnten. "Da muss der Dienstherr jetzt einfach mal Geld in die Hand nehmen. Der Schutz darf nicht von Haushaltsmitteln abhängig gemacht werden", sagt Boek. Eines jedoch steht auch nach dem gewaltsamen Tod des Kollegen für ihn außer Frage: "Was wir nicht fordern, ist eine Bewaffnung. Uns geht es um eine defensive Ausstattung."
Erfahrungen vor Ort – und Grenzen der Ausbildung
Auch in Zukunft wird nach Einschätzung des saarländischen Landesvorsitzenden Gerd Luckas der persönliche Kontakt bei der praktischen Ausbildung unerlässlich sein: "Wichtig ist, von erfahrenen Kollegen zu erfahren, wie man sich an der Haustür und in der Wohnung verhält oder wie man einen aufbrausenden Schuldner wieder auf ein normales Niveau bekommt." Und eines sei auch klar: "Ob man Schulungen hat oder ein Vorbild: Im Endeffekt lernt man viel durch die eigenen Erfahrungen vor Ort."
Das erwartet auch Gerichtsvollzieher-Azubi Johannes Schackmann-Weller. Dennoch ist er überzeugt, dass es auch Grenzen gibt: "Ganz gleich, wie gut die Ausbildung auch sein wird: Kein Training der Welt hilft dir bei einem plötzlichen Messer-Angriff."
