Die Verdienstsituation von Frauen im Vergleich zu Männern hat sich in Deutschland in diesem Jahr erneut nicht verbessert: Im Vergleich der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste verdienten Frauen 16 Prozent weniger als Männer - der sogenannte Gender Pay Gap ist damit so groß wie 2024, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung kritisierte die Untätigkeit der Regierung; eine EU-Richtlinie könnte aber helfen.
Der Verdienstunterschied lässt sich zum Teil mit strukturellen Gründen erklären: Statistisch erfasst sind die höhere Teilzeitquote von Frauen sowie Berufe, Branchen und Anforderungsniveau der Berufe, in denen Frauen häufiger arbeiten. Insgesamt erklären diese Faktoren 60 Prozent des Verdienstunterschiedes.
Am bedeutendsten ist den Statistikern zufolge die Teilzeitquote: Wer Teilzeit arbeitet, verdient in der Regel auch pro Stunde weniger, was 19 Prozent des Gender Pay Gap erklärt, vor allem in Westdeutschland. Frauen sind zudem häufiger in Branchen und Berufen tätig, die allgemein geringer entlohnt werden, worauf rund 18 Prozent der Lücke zurückzuführen sind. Etwa 13 Prozent lassen sich dadurch erklären, dass Frauen häufiger in Berufen mit niedrigerem Anforderungsniveau arbeiten.
Die verbleibenden 40 Prozent des Verdienstunterschieds können nicht durch diese Faktoren erklärt werden. Auch bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie verdienten Frauen im Jahr 2025 demnach pro Stunde sechs Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Dieser bereinigte Gender Pay Gap blieb ebenfalls im Jahresvergleich konstant.
Laut Statistikamt gibt es bedeutende Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. So fällt der unbereinigte Verdienstunterschied im Osten mit fünf Prozent deutlich niedriger aus als im Westen (17 Prozent).
Beim bereinigten Gender Pay Gap dreht sich dies allerdings um: Die statistisch nicht erklärbare Lohnlücke ist im Osten größer als im Westen. Das liegt laut Statistikamt vor allem daran, dass der Verdienstunterschied wegen Teilzeitarbeit im Osten kaum ins Gewicht fällt - Frauen hingegen häufig besser qualifiziert sind als Männer und dennoch weniger verdienen.
"Der Gender Pay Gap ist symptomatisch für die Verfestigung der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in Deutschland", erklärte Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Zugleich fehlten Impulse der Politik, die Erwerbsbeteiligung von Frauen verbessern.
Helfen könne die EU-Entgelttranzparenzrichtlinie. Sie hoffe auf eine "wirksame Umsetzung", erklärte Kohlrausch. Das EU-Gesetz schreibt vor, dass gezahlte Gehälter in Unternehmen nicht geheimgehalten werden dürfen.
