Europäischer Gerichtshof: Polens Verfassungsgericht hat gegen EU-Recht verstoßen und ist nicht unabhängig

Published 3 hours ago
Source: stern.de
Europäischer Gerichtshof: Polens Verfassungsgericht hat gegen EU-Recht verstoßen und ist nicht unabhängig

2021 stellte sich Polens Verfassungsgerichtshof gegen das höchste europäische Gericht. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit. Jetzt ist das Urteil gefallen.

Im Streit um Rechtsstaatlichkeit in Polen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) der EU-Kommission Recht gegeben: Das polnische Verfassungsgericht habe mit zwei Urteilen von 2021 gegen EU-Recht verstoßen, erklärte der EuGH in Luxemburg am Donnerstag. Das polnische Gericht hatte damals – noch zu Zeiten der Regierung der nationalkonservativen PiS-Partei – den Vorrang des EU-Rechts vor der nationalen Rechtsprechung angezweifelt.

Hintergrund war eine umstrittene Justizreform, die Einfluss auf die Besetzung von Richterposten hatte. Polen habe mit den Urteilen von 2021 "die wesentlichen Merkmale der Unionsrechtsordnung in Frage gestellt", erklärten die Luxemburger Richter. Die nationalen Gerichte müssten das EU-Recht jedoch anwenden und könnten auch nicht einseitig bestimmen, in welchem Umfang sie dies tun.

Polens Regierung will Entscheidungen der Vorgänger rückgängig machen

Der EuGH befand zudem, dass das polnische Verfassungsgericht weiterhin nicht unabhängig sei. Das Warschauer Gericht genüge "nicht den Anforderungen an ein durch Gesetz errichtetes, unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne des Unionsrechts", urteilten die Richter. Der EuGH bezog sich damit auf die Ernennung von drei polnischen Verfassungsrichtern im Dezember 2015 und der Gerichtspräsidentin im Dezember 2016. Dabei sei gegen die Grundregeln für die Ernennungsverfahren verstoßen worden.

Der Streit zwischen Warschau und Brüssel stammt aus der Zeit der Regierung der nationalkonservativen PiS. Diese hatte laut EU unter anderem mit der Einführung einer Disziplinarkammer für Richter die Gewaltenteilung untergraben. Brüssel leitete deswegen im Dezember 2021 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Die amtierende polnische Regierung des EU-freundlichen Ministerpräsidenten Donald Tusk bemüht sich seit ihrem Amtsantritt im Dezember 2023, die Reformen der Vorgängerregierung rückgängig zu machen.

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