Mit einer Armbrust tötet ein 59-Jähriger eine Frau in einer Klinik in Nordhessen – das Urteil: lebenslang. Was hinter dem brutalen Streit steckt und wie das Gericht die Schuld bewertet.
Der Bolzen 47,5 Zentimeter lang und mit scharfer Jagdspitze versehen: Wegen Erbstreitigkeiten erschießt ein 59 Jahre alter Mann eine 50-Jährige mit einer Armbrust an ihrem Arbeitsplatz in einer Klinik im nordhessischen Bad Zwesten (Schwalm-Eder-Kreis). Gut ein Jahr später hat das Landgericht Kassel den Mann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
"Es gibt keinerlei Zweifel, dass der Angeklagte die Tat begangen hat", sagte der Vorsitzende Richter Christian Geisler. Das Gericht sah die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe als erfüllt an. Zudem stellte es die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausgeschlossen.
Opfer an Arbeitsplatz in Klinik erschossen
Die 10. Große Strafkammer sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte die 50-Jährige am 4. Dezember 2024 wegen Erbstreitigkeiten mit deren Bruder mit einer Armbrust getötet hat. Der Bruder des Opfers war mit der inzwischen verstorbenen Mutter des Beschuldigten in einer Beziehung gewesen und hatte von ihr ein Haus übertragen bekommen. Es folgte ein jahrelanger Streit, in dem der Angeklagte den Bruder des Opfers sowie dessen Familie mehrfach bedrohte.
Am Tattag war der Mann, der zuletzt im bayerischen Landkreis Passau gelebt hatte, zum Arbeitsplatz seines Opfers in Bad Zwesten gefahren. Aus nur wenigen Metern Entfernung schoss der 59-Jährige im Empfangsbereich der Radiologie der Klinik gezielt auf die 50-Jährige. Der Armbrust-Bolzen traf die Frau im Brust-Bauch-Bereich. Sie starb kurze Zeit später an schwerwiegenden inneren Verletzungen.
Gericht: 59-Jähriger tötete aus Rache
Es gebe keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte die 50-Jährige vorsätzlich getötet habe, sagte Richter Geisler in seiner Urteilsbegründung. Die Motivlage sei mit den Streitigkeiten zwischen dem Bruder des Opfers und dem Angeklagten um dessen Mutter klar gegeben. Der 59-Jährige habe sich am Bruder des Opfers rächen wollen, weil er sich um sein Erbe gebracht gesehen habe.
Geisler beschrieb das Leben des Angeklagten als "trostlos". Er sei nur gelegentlich einer Arbeit nachgegangen, habe Schulden gehabt und häufig den Wohnort gewechselt. Zudem berichtete der Richter von einer Eskalationsspirale, die sich im Zuge der Erbstreitigkeiten über Jahre entwickelt hatte.
Opfer war arg- und wehrlos
Die Tat erfülle das Mordmerkmal der Heimtücke, sagte Geisler. Das Opfer sei arg- und wehrlos gewesen. Es habe auch vor dem Hintergrund der vorangegangenen Streitigkeiten und Bedrohungen nicht damit rechnen müssen, an seinem Arbeitsplatz getötet zu werden.
Niedrige Beweggründe lägen vor, weil der Angeklagte die 50-Jährige getötet habe, um die Familie ihres Bruders zu zerstören und das restliche Leben ihres Bruders zu beeinträchtigen, führte Geisler aus. Es handle sich um eine Tat aus Rache. Die Tatsache, dass der Mann nach der Tat noch den Mittelfinger gezeigt habe, zeige, worum es ihm gegangen sei. "Er wollte ein Zeichen setzen."
Keine eingeschränkte Schuldfähigkeit
Nach Einschätzung des Gerichts ist der Angeklagte wie von einer Sachverständigen attestiert voll schuldfähig. Zwar liege bei ihm eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und paranoiden Anteilen sowie eine hypochondrische Störung vor, führte Geisler aus. Sowohl seine Einsichts- als auch Steuerungsfähigkeit seien aber erhalten gewesen. Er habe die Tat über längere Zeit geplant und sich immer wieder bewusst entschieden, den nächsten Schritt zu gehen.
Für die Feststellung der besonderen Schuldschwere sei für das Gericht die Täterpersönlichkeit entscheidend gewesen. "Wir sehen beim Angeklagten schon eine gewisse Freude, anderen Schaden zuzufügen", erläuterte Geisler. Ein unbeteiligtes Opfer zu töten, um einem Kontrahenten Schaden zuzufügen, sei besonders verwerflich.
Angeklagter äußerte sich nicht zu den Vorwürfen
Der Angeklagte folgte den Ausführungen reglos, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Er hatte bis zuletzt zu den Vorwürfen geschwiegen. Auch dem Plädoyer seiner Verteidiger hatte er teilnahmslos gelauscht. Diese sahen die von der Staatsanwaltschaft ins Feld geführten Mordmerkmale Heimtücke, niedrige Beweggründe sowie Grausamkeit nicht als erfüllt an, hatten aber keinen konkreten Antrag gestellt.
Auch auf sein letztes Wort verzichtete der Angeklagte, nachdem ihm dieses vom Richter eingeräumt worden war. "Ne, möchte ich nicht. Ende", erwiderte er. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
