Bevölkerungsschwund: Weniger Junge, mehr Alte: Wie Demografie die Politik prägt

Published 4 hours ago
Source: stern.de
Bevölkerungsschwund: Weniger Junge, mehr Alte: Wie Demografie die Politik prägt

Freie Kita-Plätze, steigendes Durchschnittsalter: Thüringens Bevölkerung schrumpft und wird alt. Wie führende Landespolitiker mit der Riesen-Aufgabe Demografie umgehen.

In den Kindergärten schlägt die Demografie bereits mit Härte zu: Die Zahl der Kita-Kinder sinkt, immer mehr Plätze bleiben frei. Zugleich altert die Gesellschaft: Im Jahr 2024 war Thüringen nach Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern das Land mit der drittältesten Bevölkerung. Das Durchschnittsalter betrug 47,9 Jahre. Und die Bevölkerung schrumpft - um die Größe einer mittleren Stadt allein 2024, rund 14.600 Menschen verlor Thüringen. Zugleich war die Geburtenrate historisch niedrig. Sie könnte noch weiter sinken.

Kinderlachen soll nach Zukunftsmusik klingen

"Man muss begreifen, dass das die größte Strukturaufgabe ist für die nächsten 20 Jahre", sagt Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt zum demografischen Wandel. Politik müsse dafür Sorge tragen, dass das Gründen einer Familie für junge Menschen attraktiv ist. "Wir müssen wieder stärker Kinderlachen als Zukunftsmusik begreifen. Junge Menschen sollten wieder Lust haben, Familien zu gründen", sagt der CDU-Politiker.

Zugleich müssten aber auch die Veränderungsprozesse klug gemanagt werden. "Wichtig ist, für eine älter werdende Gesellschaft auch die entsprechenden Angebote zu schaffen - zum Beispiel bei der medizinischen Versorgung", betont der Regierungschef.

Arbeitskräfte aus Vietnam

Schon jetzt fehlen der Wirtschaft Fach- und Arbeitskräfte, die demografische Entwicklung könnte den Mangel noch weiter verschärfen. Thüringens Migrationsministerin Beate Meißner ist überzeugt: "Thüringen ist auf Einwanderung angewiesen." Erst kürzlich war Wirtschaftsstaatssekretär Marcus Malsch in Vietnam, um Möglichkeiten auszuloten, Saisonarbeitskräfte und Auszubildende für die Landwirtschaft nach Thüringen zu holen. Ein solches Azubi-Projekt mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) gibt es bereits.

"Wir werden unseren Wohlstand nicht ohne Einwanderung halten können", sagte Meißner. Migrationspolitik bestehe auch darin, denjenigen, die Teil der Gesellschaft werden und in Thüringen arbeiten wollten, auch die Möglichkeit dazuzugeben. "Damit meine ich nicht nur Fachkräfte, sondern auch Arbeitskräfte."

AfD: Einwanderung keine Lösung

Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke hatte dagegen im Dezember erneut signalisiert, dass er Einwanderung nicht als Teil einer Antwort auf den demografischen Wandel sieht. "Weil die Zuwanderer sich perspektivisch an das Reproduktionsverhalten der einheimischen Bevölkerung angleichen, ist Zuwanderung keine Lösung - schon gar keine Zuwanderung, die als Sozialmigration bezeichnet werden muss", sagte Höcke. Die AfD wolle der Entwicklung mit einer Familienoffensive entgegenwirken. "Wir müssen uns aus eigener Kraft regenerieren", sagte Höcke.

Um die Folgen des massiven Bevölkerungsschwunds für die Wirtschaft abzumildern sieht Regierungschef Voigt auch technologische Lösungen. "Wenn ich mir die Geschwindigkeit der Veränderungen angucke, mit der mittlerweile auch durch moderne Technologien Angebote geschaffen werden, dann muss Thüringen nur Erster sein", sagt er. Die Landesregierung dürfe nicht warten, bis diese Entwicklungen über das Land hereinbrechen, sondern müsse vielmehr aktiv mitgestalten. "Und das tun wir."

Daten und KI statt Bauchgefühl

Dabei will Voigt auf Daten setzen statt auf ein Bauchgefühl. "Ich halte nichts davon, Politik zu machen, indem man den Finger in den Wind hält und dann sagt, wo es hingeht. Entscheidungen trifft man nicht nach Bauchgefühl, sondern nach Fakten", sagte der CDU-Politiker.

Der 48-Jährige will ein Thüringen-Cockpit aufbauen, also ein Dashboard mit den wichtigsten Daten zum Land. "Wie im Handwerk gilt auch in der Politik: Erst messen, dann entscheiden. Das Thüringen-Cockpit hilft uns, Entwicklungen früh zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern", erläuterte er.

Voigt sagte, er sei im Austausch mit Wirtschaftsvertretern und Sozialpartnern. "Wir schauen gemeinsam auf die Zahlen und fragen uns: Wie soll Thüringen 2035 aussehen? Nicht abstrakt, sondern ganz konkret."

Es brauche informierte Entscheidungen, betonte Voigt. In Zeiten von Künstlicher Intelligenz seien Prognosen einfacher zu erstellen. "Die mache ich auch schon und weiß etwa beim Thema Demografie oder Energie, wo wir uns hinentwickeln, und versuche daraus kluge Politik zu machen." Was die Zukunft betrifft, sei er nicht skeptisch, sondern optimistisch.

Categories

DemografieThüringenBevölkerungsschwundMario VoigtKinderAfDCDUBjörn HöckeVietnamErfurt