ARD Dokumentarfilm: Hildegard Knef – Ich will alles: Porträt einer Kämpferin

Published 3 hours ago
Source: stern.de
ARD Dokumentarfilm:  Hildegard Knef – Ich will alles: Porträt einer Kämpferin

Am 28. Dezember wäre die Schauspielerin, Sängerin und Autorin Hildegard Knef 100 Jahre alt geworden. Das Erste sendet ein Porträt aus Selbstreflexionen, Erinnerungen und Wertungen des Ufa-Stars, der es nie leicht hatte im Leben.

Sie suchte die Öffentlichkeit, weil sie glaubte, sie zu brauchen. "Ich will alles!" war die Devise der Theater- und Filmschauspielerin und späteren Sängerin und Autorin Hildegard Knef, die am 28. Derzember 1925 in Ulm geboren wurde. Erfolge und schwere Niederlagen wechselten sich bei ihr ab. Dazwischen gab es nichts, sagt sie mal im Film der Grimme-Preisträgerin Luzia Schmid. Sie liebte den Infight mit der Boulevardpresse, war eine Meisterin bei der Abwehr frecher Fragen der Journalisten – auch in den Talkshows des Fernsehens der frühen Jahre.

Die Schauspielerin Nina Kunzendorf liest dazu die Erinnerungen und Lebenskommentare der reflexionsstarken Schauspielerin ein. So erübrigt sich jeder Off-Kommentar, während ihre 1968 geborene Tochter Christina und ihr letzter Ehemann Paul von Schell vorsichtig eigene Sichtweisen auf ihre Person abgeben.

"Bevor ich auftrete, möchte ich immer einen Beruf mit Pension", sagt die Schauspielerin. Aber sie brauche eben auch "den Rausch", die "lebenslange Gemeinsamkeit aller". Auch hier singt sie wieder ihr Auftrittslied, mit dem sie ab 1963 ihre zweite Karriere als Sängerin begann: "Für mich soll's rote Rosen regnen". Es war einer von 80 von ihr selbst geschriebenen Texten. Romantik und Karriere-Verlangen gipfeln im dreifach wiederholten Ausruf: "Ich will!"

Schon komisch: Denkt man heute an Hildegard Knef, hat man vor allem die Sängerin mitsamt ihrer Bühnenpräsenz vor Augen – umjubelt von tausend Fans. Ihre Rollen in den frühen Filmen "Die Mörder sind unter uns" (1946) und im Skandalfilm "Die Sünderin" (1951) gerieten mit der Zeit in Vergessenheit über den stets mit einer Swingband vorgetragenen Songs (manchmal tatsächlich: sehr persönliche Chansons). Als früher "Trümmerstar" wurde sie verkauft und vereinnahmt vom Filmvolk, das genau wusste, was "seine" Hilde zu leisten hatte. Wie gut, dass sie im Cole-Porter-Musical "Silk Stockings" auf dem Broadway in New York als Ninotschka Triumphe feiern konnte.

Das Leben schuldet uns nichts als das Leben

Doch schon Wolfgang Staudtes erster deutscher Nachkriegsfilm "Die Mörder sind unter uns", in dem die Knef eine ehemalige KZ-Insassin spielte, leistete nicht, was der Titel versprach. Die Rache eines anderen KZ-Gefangenen, der einen früheren Massenmörder wiedererkennt, verläuft im Sand.

Ihre eigenen Erlebnisse in der NS-Zeit verdichten sich in einem Interview, in dem sie für ihre Generation, eben der Kinder und Jugendlichen von damals plädiert, die von jeglicher Schuld freizusprechen sind. Mit der gleichen Impulsivität wehrt sie sich dagegen, als Deutsche ab 1947 in Hollywood "auf Eis" gelegt worden zu sein. Nur zu gern nahm Hildegard Knef in der Folge das Angebot an, daheim in Deutschland die Hauptrolle in Willi Forsts "Die Sünderin" zu spielen, einem Melodram, in dem es um eine ehemalige Prostituierte ging, die ihren Geliebten, einen Maler, retten will und ihm schließlich dabei hilft, aus dem Leben zu scheiden. Bitter klagt sie im Nachhinein die Prüderie und Verlogenheit der deutschen Nachkriegsgesellschaft an – sechs Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und Majdanek suchten religiöse Konservative den moralischen Skandal.

Mit ihren Regisseuren, darunter Namen wie Carol Reed, hatte sie immer wieder Pech, wie sie selbst betont. Stimmt wahrscheinlich: große Regisseure, aber keine großen Filme. Ihre Reflexionen über das Filmgeschäft gingen jedoch weit über Wehklagen, Wut und Tränen hinaus. Gute Filme würden immer von Drehbuchautoren und Regisseuren gemacht, so glaubte Hildegard Knef. Bei schlechten bleibt alles an den Schauspielern hängen. Filme wie "Die Sünderin" machten "die Produzenten reich und mich verletzlich", glaubte sie.

Atemberaubend, mit welchem Affront sie von den Interviewern der Boulevardpresse angegangen wurde. Ob sie nach Niederlagen nicht auch mal daran gedacht habe, aus dem Leben zu scheiden, fragte man. "Eine unglaubliche Anmaßung" sei das, so wurde der Fragesteller zerlegt. "Das Leben schuldet uns nichts als das Leben. Alles andere haben wir selbst zu tun."

Der Film setzt ganz auf die Optik der Großaufnahme – wie auch anders bei diesem Gesicht und diesem Profil. Ob sie glücklich war, wird am Ende ihre Tochter Christina gefragt. "Glücklich? – Ich hoffe, sie war zufrieden", antwortet sie. Die Knef selbst kämpft auf ihrer letzten Tournee 1986 mit den Tränen. Da hat sie bereits ein neues OP-Gesicht, und auch der Hauch ihrer Stimme ist weg. Sie ist genauso glatt geworden wie ihre Haut.

ARD Dokumentarfilm: Hildegard Knef – Ich will alles – Di. 23.12. – ARD: 22.55 Uhr